Sein letzter Fall - Fallet G
an diesem Dienstagmorgen in dem blassgelben Konferenzraum des Kaalbringener Polizeireviers niederließ.
Anfangs wollte er nicht einsehen, warum die Vergangenheit so aufdringlich präsent war. Sicher, die Stadt, die Gebäude und der friedliche Markt dort draußen sahen noch genauso aus wie vor neun Jahren, aber die Akteure waren doch zum überwiegenden Teil neu. Weder Rooth noch Polizeianwärter Stiller oder der neue Polizeichef waren damals zugegen gewesen. Nur er selbst und Inspektorin Moerk.
Beate Moerk. Sie war es natürlich, auf die es ankam. Sie war inzwischen Mutter zweier Kinder; musste fast an die vierzig sein, wie er annahm, aber dennoch sah er in ihrem Gesicht und in ihren Augen die gleichen Dinge, die ihn schon bei dem Axtmörderfall überfallen hatten… was immer es auch sein mochte. Er spürte, dass sie seinem Blick nunmehr ebenfalls auswich, das war für die Anfangsphase sicherlich eine kluge Vorsichtsmaßnahme. Rooth hatte gesagt, sie sei eine verdammt hübsche Inspektorin, und auch wenn Rooth auf dem Felde der Leidenschaften ein trauriges Bild abgab, so hatte er durchaus Augen im Kopf.
Und die Sonne brannte durch das Südfenster genau wie damals. Wenn er es genauer bedachte, dann war ihm schon klar, dass nicht allein Beate Moerk und dieser nur allzu vertraute Raum die Zeit ein wenig aus den Fugen brachte. Der Fall G. hatte ja vor noch viel längerer Zeit auf der Tagesordnung gestanden – vor fünfzehn Jahren! –, so dass das Gefühl, sich nicht so recht in der Gegenwart zu befinden, vielleicht ganz natürlich war, wenn man alles in Betracht zog.
Und es war dieser Maarten Verlangen, der den Katalysator spielte. Das Bindeglied zwischen diesem und jenem. Die Überreste des abgetakelten Privatdetektivs hatten da ein paar Monate lang draußen im Pilzwald gelegen und waren vor sich hin gerottet. Und dann waren sie entdeckt worden – und um herauszufinden, wer sie dort hin befördert hatte, waren sie nun hier.
Zumindest in erster Linie. Offiziell gesehen. Was es sonst noch mit sich bringen würde, war eine andere Sache. Synergieeffekte, so ließe es sich vielleicht am besten bezeichnen. Kreise auf dem Wasser, so hätte man es früher genannt.
Aber ganz gleich, wie man es nun nennen mochte, dachte Münster, auf jeden Fall waren zwei Kriminalbeamte aus Maardam angereist, um herauszufinden, was mit so einer ausgeprägt haltlosen Existenz wie Maarten Verlangen passiert war – falls es nicht noch andere Zutaten in der Suppe gab als diejenigen, die an der Oberfläche schwammen, das stand jedenfalls fest.
Außerdem fehlten sowohl Van Veeteren als auch Inspektor Kropke in dem Polizeigebäude an diesem heißen Spätsommertag. Und nicht Kommissar Bausen hielt den Taktstock, sondern ein gewisser Polizeichef deKlerk.
Münster hatte sich noch kein Bild von ihm machen können, nahm aber an, dass er ein gestandener Polizeimann war. Auf jeden Fall gab es nichts, was für das Gegenteil sprach. Er hatte gerade seine Jacke über die Stuhllehne gehängt, der Polizeichef, jetzt schaute er ein wenig unsicher in die Runde und faltete die Hände.
»Ja, also herzlich willkommen«, begann er. »Dann wollen wir anfangen. Wenn Gott will, kriegen wir in einer Stunde auch Kaffee.«
»In sh’a Allah«, sagte Rooth. »Es freut mich, in zivilisierte Gegenden gekommen zu sein.«
Vergiss nicht, dass du für deine Dummheiten selber gradestehen musst, Rooth, dachte Münster und zog sich ebenfalls die Jacke aus.
»Lasst mich der Ordnung halber ein kleines Resumee ziehen«, sagte deKlerk und öffnete einen Ordner. »Die Kollegen aus Maardam sind ja besser informiert über die Hintergründe des Ganzen als wir, also bitte korrigiert mich, wenn ich etwas Falsches sage.«
Rooth nickte, und Münster holte seinen Notizblock hervor.
»Auf jeden Fall«, setzte deKlerk an, »haben wir also – zumindest arbeiten wir nach dieser Theorie – im Kern der Geschichte einen alten Fall aus dem Jahr 1987, den Mord an Barbara Clarissa Hennan in Linden. Wir gehen davon aus, dass es sich dabei um einen Mord gehandelt hat, auch wenn er nie aufgedeckt wurde. Wir haben den Ehemann des Opfers, Jaan G. Hennan, wegen der Tat angeklagt, aber vor Gericht aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Er hat eine recht ansehnliche Versicherungssumme kassiert und wahrscheinlich im selben Jahr das Land verlassen. In Zusammenhang mit Barbara Hennans Tod steht ein Privatdetektiv namens Maarten Verlangen, seine genaue Rolle ist in vielerlei Hinsicht unklar, aber er
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