Sein letzter Fall - Fallet G
langsam die Straße entlang in Richtung auf die Villa Vigali. Dort sah es genauso tot aus. Eine Straßenlaterne warf einen schmutzig gelben Schein ein paar Meter weit in den Garten hinein, das war alles. Er ließ die Zigarette auf den Bürgersteig fallen und trat die Glut aus.
Was mache ich hier eigentlich?, überlegte er. Was für Mächte sind das, die ich zu beschwören versuche?
Er schüttelte den Kopf und ging zurück zum Auto. Verspürte plötzlich Hunger.
Verdammt, wie kann ich nur in dem ganzen Wirrwarr an Essen denken?, wunderte er sich. Da muss etwas mit meinen Säften nicht stimmen.
Um dennoch die Signale seines Körpers nicht ganz und gar zu ignorieren, kehrte er um ins Zentrum von Linden und fand dort eine geöffnete Hamburgerbar. Mit beträchtlicher Selbstüberwindung ging er hinein und bestellte sich etwas, das sich Doppel-Hawaiiburger Special nannte. Aß die Hälfte auf einer Bank draußen auf dem Marktplatz sitzend auf und warf den Rest den Tauben hin. Zwei Frauen mit ebenso offensichtlichem wie zweifelhaftem Lebenswandel zogen ihre Kreise um ihn herum, während er dort saß, aber keine von beiden machte einen ernsthafteren Versuch, ihn einzuladen. Mit einer plötzlichen Welle von Schamgefühl erinnerte er sich an seinen einzigen Besuch bei einer Hure. Er war neunzehn Jahre alt und hatte gemeinsam mit einem Freund ein Liebesnest in Hamburg aufgesucht. In einem nach süßlichem Parfüm und frittiertem Fisch stinkenden Zimmer hatte er die peinlichsten zwanzig Minuten seines Lebens durchlitten. Der Kumpel an seiner Seite hatte gemeint, das Ganze hätte ihm Lust auf mehr gemacht, und ihre Freundschaft war ebenso schnell abgeebbt, als hätte man den Stöpsel aus einem Waschbecken gezogen.
Als er wieder in seinem schon schwer ramponierten Ford saß, war es bereit zehn Minuten nach eins, und während seiner Rückfahrt nach Maardam führte die Müdigkeit einen ebenbürtigen Kampf mit der Übelkeit.
Hawaiiburger, igitt, dachte er. Nie wieder.
14
Mein Name ist Rooth«, sagte Rooth. »Kriminalinspektor. Ich habe angerufen.«
Der Blick der Frau in der Türöffnung flackerte. Sie war bleich, mager, und wenn er es nicht besser gewusst hätte, hätte er angenommen, dass sie schon weit über fünfzig war. Ihr Haar hatte die gleiche Farbe wie eine Sorte Weichkäse, den er immer morgens aß, und es hing wie zwei verwaschene, traurige Gardinen zu beiden Seiten des Gesichts herunter. Sie trug Jeans und einen übergroßen, grauen Pullover. Rooth spürte, wie er in der Hoffnung lächelte, dass sie nicht zusammenbrechen würde.
»Ja?«, sagte sie.
»Darf ich reinkommen?«
Sie blieb zögernd auf der Stelle stehen. Ihr breiter Mund zuckte ein wenig, aber es kam kein Wort heraus. Rooth hustete peinlich berührt.
»Es geht nur um ein kurzes Gespräch, wie schon gesagt«, erklärte er. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Ich weiß nicht…«
»Wenn Sie meinen, dass es unangenehm wird, dann brauchen Sie es mir nur zu sagen. Aber es wäre uns eine große Hilfe, wenn ich Ihnen ein paar Fragen stellen dürfte.«
Sie biss sich auf die Lippen.
»Sie sind also von der Polizei?«
Rooth zog seine Brieftasche hervor und reichte ihr seinen Polizeiausweis. Ließ sie ihn genau betrachten und drehen und wenden.
»Kriminalinspektor?«, fragte sie. »Was hat das zu bedeuten?«
Er nahm seinen Ausweis wieder und schob die Brieftasche zurück in die Innentasche.
»Lassen Sie uns kurz reingehen, dann erkläre ich Ihnen das.«
Sie betrachtete ihn erneut ein paar Sekunden lang mit großen, hilflosen Augen. Dann wich sie zurück in den Flur und ließ ihn eintreten.
»Ich verstehe nicht, worum es eigentlich geht. Ich habe doch gar keinen Kontakt mehr zu ihm. Außerdem bin ich heute nicht ganz fit.«
Rooth nickte und bog nach rechts in die Küche ab.
»Hier?«
»Ich weiß nicht, ob…«
Sie folgte ihm, und die beiden ließen sich jeder auf einer Seite eines kleinen Tisches mit einer blau-weiß-karierten Wachsdecke nieder. Sie schob eine Wochenzeitschrift und eine halb ausgetrunkene Teetasse mit einem Herzen drauf zur Seite.
»Elizabeth Hennan, nicht wahr?«, begann Rooth. »Das sind Sie doch, oder?«
»Ja«, antwortete sie reserviert, als wäre das ein Geheimnis, das sie möglichst nicht preisgeben wollte.
»Sie haben einen Bruder, der Jaan Hennan heißt? Jaan G. Hennan?«
Sie nickte stumm.
»Sie finden meine Fragen unangenehm, das kann ich Ihnen ansehen. Aber ich verspreche Ihnen, dass wir Ihre Angaben in
Weitere Kostenlose Bücher