Sein letzter Trumpf
Einfamilienhauses in einem Vorort von Albany namens Delmar. Hypotheken längst abbezahlt, ein schuldenfreies Objekt. Seine drei Töchter waren dort aufgewachsen, hatten geheiratet und waren weggezogen. Seine Frau war dort vor sieben Jahren gestorben. Er war in dem Haus geblieben. Inzwischen musste es eigentlich alles über ihn wissen.
Parker fuhr um halb vier Uhr nachmittags dort vorbei. Kleine, zweistöckige, mit Schindeln verkleidete Häuser aus der Zeit des Baubooms Ende der vierziger Jahre säumten die Straße auf beiden Seiten, jedes mit einem gepflegten Rasen davor und einer gepflegten Einfahrt auf einer Seite. Anfangshatten sie alle gleich ausgesehen, Häuser von der Stange, aber ihre Besitzer hatten sie im Lauf der Jahre verändert, hatten um- und angebaut, so dass sie jetzt wie Verwandte, aber nicht mehr wie Klone aussahen.
Cathmans Haus war die Nummer 437, und seine Anbauten waren eine Garage am Ende der Einfahrt und die Verkleidung der Vorderveranda mit Fenstern, in denen sich die Frühlingssonne spiegelte. Diese Fenster und auch die Vorderfenster im ersten Stock waren mit Rollos verschlossen.
Parker bog bei der nächsten Gelegenheit links ab und fuhr zwei Blocks zurück bis zu einem Supermarkt in der Haupteinkaufsstraße. Er stellte den Subaru dort ab, zog eine dunkelblaue Jacke mit dem Schriftzug Niagara-Mohawk Electric auf dem Rücken an, nahm das Klemmbrett vom Beifahrersitz und ging den Gehsteig entlang, der einzige Fußgänger im Umkreis von Kilometern.
Vor Cathmans Haus blieb er stehen, um einen Blick auf sein Klemmbrett zu werfen, und ging dann die Einfahrt hinauf. Ein schmaler Betonweg führte zur Garage hinüber, und er folgte ihm bis in den Garten hinter dem Haus, der verwildert und ungepflegt war. Maschendrahtzäune trennten ihn von den ordentlichen beiden Nachbargärten, und der Nachbar hinten hatte sich einen hohen Bretterzaun als Sichtschutz gebaut. Kinder spielten ein paar Häuser weiter mit Spielzeuglastautos; sie sahen kein einziges Mal zu Parker her.
Das Schloss in der Küchentür war ein Witz. Er öffnete es, ohne es zu beschädigen, und verbrachte die nächste Stunde damit, das Haus vorsichtig, aber gründlich zu durchsuchen. Er verschob Möbel, um Teppiche aufrollen und nach Falltüren suchen zu können. Er untersuchte die Decken und die Rückwände von Wandschränken und zog jede Schublade in jeder Kommode, jedem Tisch, jedem Schreibtisch und jedemEinbauschrank im ganzen Haus auf. Er stach mit einem Messer in den Kaffee und ins Mehl, nahm von beiden Fernsehgeräten die Rückwand ab, baute jeden Lichtschalter und jede Steckdose ab und wieder an. Am Ende stellte er überall den ursprünglichen Zustand wieder her.
Nichts war versteckt, nichts widersprach der Vorstellung, dass Cathman ein braver Bürger war, berechenbar und langweilig. Das einzige, was Parker erfuhr, war, dass Cathman auf Jobsuche war. Er hatte mehr oder weniger denselben Brief an rund zwanzig Behörden und Großunternehmen geschrieben, in denen er seine Qualifikationen auflistete und angab, dass er ab sofort verfügbar war. Die Antworten, die er bekommen hatte – und er hatte immer eine bekommen –, waren höflich, respektvoll und ablehnend.
Diese Bewerbungen hatte er offensichtlich zu Hause erledigt, in dem nach hinten gelegenen Arbeitszimmer im ersten Stock, das ursprünglich das Zimmer einer seiner Töchter gewesen sein musste, weil er nicht wollte, dass Rosemary Shields etwas von seiner Arbeitssuche mitbekam. Die Beratertätigkeit war nur dazu da, das Gesicht zu wahren, er zahlte drauf, statt etwas damit zu verdienen. Noch war er nicht klamm, aber wie lange würde er noch durchhalten? Und war das Grund genug, sich an eine Diebesbande zu wenden?
Um zehn vor fünf war Parker mit dem Haus fertig. Cathman hatte kein Bier im Kühlschrank, aber eine offene Flasche von einem italienischen Weißwein stand darin, der Korken halb in den Hals zurückgesteckt. Parker goss sich ein Glas ein, setzte sich in das dämmrige Wohnzimmer und überlegte, was zu tun war. Noelle. Der Rollstuhl. Eine Ambulanz oder irgendein Lieferwagen, der den Rollstuhl samt seinem Insassen transportieren konnte. Die Limousine für Lou. Die Chauffeursuniform. Die Waffen. Und Cathmans Teil: Papiere.
Der Motor des Garagentors sprang an. Parker stand auf und ging in die Küche, aus der eine Seitentür direkt in die Garage führte. Er füllte sein Glas noch einmal und schenkte ein zweites ein, und als Cathman mit hängenden Schultern und
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