Sein mit Leib und Seele - band 5 (German Edition)
dir, ich wollte eh gerade eine Pause machen.“
Während wir nahe der Uni durch die Straßen spazieren, die ich mit den von Studenten überlaufenen Cafés, den versteckten kleinen Restaurants und den Grünanlagen, wo die Kinder unter den trüben Blicken ihrer Tagesmütter herumtollen, so sehr lieben gelernt habe, versuche ich, die richtigen und möglichst behutsamen Worte zu finden, um Guillaume zu sagen, dass ich nicht mehr „mit ihm gehen“ will. Ich möchte ihn bestärken und sage ihm, dass ich ihn sehr gern habe und weiter mit ihm befreundet sein möchte, dass ich aber noch nicht bereit sei, mich zu binden. Als ich mich reden höre, komme ich mir dumm und wie ein einziges Klischee vor. Er antwortet nicht und begnügt sich damit, neben mir herzulaufen und auf den Boden zu starren. Ich traue mich kaum, zu ihm hinüberzublicken, weil ich fürchte, Kummer in seinem Gesicht zu erkennen. Und damit liege ich nicht falsch, Guillaume scheint traurig.
„Weißt du, du musst mir nicht dieses aufgewärmte Geschwätz auftischen. Wenn du möchtest, dass wir nur Freunde sind, dann bleib einfach ganz natürlich!“
„Entschuldige, es ist nur ... ich habe vorher noch nie mit jemandem Schluss gemacht.“
„Es gibt für alles ein erstes Mal! Sieh mich mal an, mich hat zuvor auch noch nie jemand abblitzen lassen ...“
„Okay. Was sagt man denn dann?“
„Na ja, die Wahrheit. Dass du nicht in mich verliebt bist oder dass du einfach keine Lust hast, mit mir auszugehen, so einfach ist das.“
Das waren Charles' Worte. Schließlich war also er der Ehrliche von uns beiden. Guillaume fährt mit seiner Nachhilfestunde fort:
„Du musst mir nicht die Geschichte mit der ,Bindungsangst‘ auftischen ... Außerdem habe ich selbst überhaupt kein Verlangen danach, mich zu binden. Ich wollte einfach nur mit dir ausgehen, dich küssen, mit dir schlafen, mir keine Fragen stellen müssen ...“
Später, bei einer Tasse heißer Schokolade, seufzt er.
„Mein Leben ist eine Katastrophe“, sagt er und sieht mir dabei direkt in die Augen, während er mit dem Teelöffel unaufhörlich den Milchschaum verrührt.
„Aber nein, Guillaume, so was kannst du doch nicht sagen! Und außerdem weiß ich ja noch nicht mal, ob ich noch lange in Frankreich bleibe, du verschwendest nur deine Zeit mit mir!“
„Es liegt nicht nur an dir! Klar, ich bin verknallt in dich, aber das wird auch vorübergehen, oder?“
Möchte er, dass ich darauf antworte? Ich denke schon, ja, das wird vorübergehen. Das ist nicht gerade sehr schmeichelhaft, aber was soll's. Eines Tages wird er nicht mehr in mich verliebt sein.
„Wenn es nur daran liegen würde! Da wäre meine Dissertation, mit der ich nicht vorankomme, dann hab ich mir nicht gerade wenig Geld geliehen, um nach Paris zu kommen ... Ich bin mir nicht mehr so sicher, ob es das alles wert war.“
Wir verbringen den Nachmittag damit, ganz offen miteinander zu reden. Nun ja, er zumindest, ich traue mich noch nicht, ihm die Sache mit Charles zu gestehen. Aber mir wird klar, dass sich viele unserer Probleme sehr ähneln. Eine unglückliche Liebe, ein stagnierendes Studium, ein leeres Portemonnaie ... Wir sind wie dafür gemacht, Freunde zu sein!
3. An die Arbeit!
Am späten Nachmittag schließe ich hinter mir die Tür zu meinem kleinen Zimmer. Völlig deprimiert. Ich werfe meine Umhängetasche in eine Ecke des Zimmers, ziehe meinen Kuschelpyjama an und setze mich vor den Computer. Glücklicherweise ist mein Papa wie durch ein Wunder bei Skype online. Ich erzähle ihm in Kurzfassung, dass ich mich von Guillaume getrennt habe, und esse dabei Marshmallows, die mich an zu Hause erinnern. Am Ende weine ich ein bisschen: Ich weiß nicht recht, welchen Sinn mein Leben noch hat, und wie immer in dieser Situation sehe ich alles schwarz. Die tröstenden Worte meines Vaters begleiten mich in den Schlaf. Ich mag es nicht, dich so zu sehen, meine kleine Suffragette. Komm schon, trockne deine Tränen, schenke mir ein Lächeln und lass dich von den Männern nicht unterkriegen! In Sachen erzieherischer Klischees übertrifft sich mein Vater gerade selbst, ich sollte mich bei meiner Großmutter erkunden, was es damit auf sich hat.
„Na schön, Emmaaaa, machst du mir jetzt auf oder nicht?“
Es ist die fröhliche Stimme von Manon, die mich am darauffolgenden Tag aus meinem Dämmerschlaf reißt. Verdammt, ich hatte die Sache mit dem Vortrag vollkommen vergessen! Ohne es zu wollen, hat mich die Trennung von Guillaume, zusammen
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