Sein mit Leib und Seele - band 5 (German Edition)
welliger Mähne, und sie fragt mich, mit wem ich einen Termin habe.
„Ähhh, Chh-chhh, Monsieur Delmonte“, stammele ich leise mit zittriger Stimme.
Ich beobachte, wie sie gazellenartig hinter einen der Tresen stolziert und den Hörer eines Telefons abnimmt. Mit einem reizenden Akzent, den ich nicht recht zuordnen kann, säuselt sie beinahe:
„Charles, eine junge Dame ist hier, um Sie zu sehen.“
Da haben wir's, ich komme mir dumm vor, mit meinen simplen Ballerinas und meiner leicht abgewetzten Handtasche. Um mich etwas sicherer zu fühlen, tue ich so, als ob ich SMS schreiben würde. Wie wird Charles wohl reagieren, wenn er mich hier vorfindet? Und wenn ich ihn gerade störe? Er wird nicht verstehen, warum ich, die erst abgelehnt hat, nun doch da bin. Außerdem hätte ich ein Kleid oder wenigstens einen Rock anziehen sollen. Er arbeitet mit unglaublich hübschen Frauen zusammen ...
Ich habe keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, denn ich höre Schritte auf der noblen Haupttreppe. Es ist Charles, der fürstlich hinabgestiegen kommt. Sein Gesichtsausdruck scheint abweisend und als er näher kommt, betätigt sich meine Vermutung: Er sieht sehr genervt aus. Nein, er ist genervt, so viel ist sicher. Je näher er kommt, desto mehr habe ich das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Aber als er ganz nahe ist, lächelt er mich zu meiner großen Überraschung an und schmettert mir entgegen:
„Gehen wir mittagessen? Ich lade dich ein!“
Ich kann es gar nicht fassen. Nur einen Katzensprung von der kleinen Sackgasse entfernt, führt er mich in ein sehr einfach gehaltenes, italienisches Restaurant, wo er, der Art und Weise nach zu urteilen, wie ihn der Wirt begrüßt, Stammgast zu sein scheint. Wie merkwürdig es doch ist, diese Natürlichkeit, die zwischen uns herrscht. Ich fühle mich wohl, versuche loszulassen und nicht mehr alles kontrollieren zu wollen. Wir essen hervorragend und reden dabei über dieses und jenes. Nachdem wir die Desserts bestellt haben, entschuldigt er sich dafür, dass er einen Anruf tätigen muss.
„Elena, hier ist Charles Delmonte. Können Sie bitte meinen Anzug aus der Reinigung holen? Ich brauche ihn heute Abend. Danke.“
Dieser kleine Satz genügt, um die Feministin in mir zu wecken. Dabei lief doch alles so gut!
„Und du kannst deinen Anzug nicht selbst holen?“, frage ich in einem aggressiven Ton. Er sieht eher verwirrt als beschämt aus.
„Natürlich kann ich das.“
„Aber?“
„Ich habe weder Zeit noch Lust dazu.“
„Also bleibt das an einer deiner Angestellten hängen.“
„Äh ... ja, mehr oder weniger. Ich verstehe nicht, was daran so schlimm sein soll.“
„Daran ist schlimm, dass es eine Frau ist, dass du sie mit Vornamen ansprichst, während sie dich ganz offensichtlich Monsieur Delmonte nennt, und ich glaube nicht, dass so etwas zu ihren Pflichten gehört. Aber gut, sie ist ja eine Frau, also kann sie doch mal eben zur Reinigung gehen, nicht wahr?“
Er lacht aus vollem Hals.
„Wenn du wüsstest, wie falsch du liegst, Emma! Und wie amüsant es ist, wenn du aufbrausend wirst!“
Ich sehe ihn verwirrt an.
„Elena, das ist in der Tat ihr Vorname, betreibt einen Concierge-Service. Sie arbeitet für eine ganze Menge Leute, von denen wiederum einige Charles heißen, deshalb habe ich am Telefon noch Delmonte hinzugefügt. Ihre Arbeit besteht darin, Leuten wie mir das Leben leichter zu machen. Männern und Frauen, Emma. Sie reserviert Tische in Restaurants, sucht dir eine Wohnung, findet jemanden, der mit deinem Hund Gassi geht ... Sie beschäftigt etwa ein Dutzend Menschen, sowohl Männer als auch Frauen. Es ist also sehr gut möglich, dass ein Mann meinen Anzug holen wird. Und was den Grund angeht, warum ich es nicht selber mache: So etwas ödet mich an und wie du vielleicht schon bemerkt haben wirst, bin ich reich. Ich kann also Menschen dafür bezahlen, dass sie die Sachen machen, die mich langweilen. Das ist ein Luxus, den ich zu schätzen weiß, und wenn ich damit jemand anderem einen Arbeitsplatz verschaffe, weiß ich nicht, was daran so schlimm sein soll.“
Ich werde ganz rot und blicke voller Scham zu Boden.
„Entschuldige ... das wusste ich nicht.“
Er lacht erneut. Mir wird verziehen. Wir setzen unsere Unterhaltung dort fort, wo wir aufgehört haben. Charles stellt mir Fragen über die Universität, über mein Leben in den USA. Er erzählt mir von seiner Arbeit und schlägt vor, mir einige Gemälde zu zeigen, die er verkaufen möchte und die
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