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Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
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Schwester einer alten Schulfreundin Marthas betrieb eine hübsche kleine Pension am Stadtrand. Die Köchin schlug daher vor, Elli könne sich dort übergangsweise einquartieren. So wäre es ihr weiterhin möglich, ihren Verpflichtungen im Frauenverein nachzukommen und dennoch Abstand zu den Geschehnissen zu gewinnen. Elli war ihr sehr dankbar für diesen Rat. An die Suppenküche hatte sie bislang vor lauter Aufregung gar nicht gedacht, aber es ging nicht an, diese Aufgabe zu vernachlässigen, egal wie groß ihre privaten Sorgen auch waren. Nachdem sie sich einig waren, drängte es Martha, Elli noch die entscheidende Frage zu stellen: 
    „Liebst Du ihn denn gar nicht mehr?“ Sofort füllten sich Ellis Augen wieder mit Tränen. Das war Antwort genug für Martha:
    „Schon gut, ich habe verstanden - es besteht doch noch Hoffnung.“ Elli fing sich wieder und entgegnete sehr leise, aber nichts desto weniger in der felsenfesten Überzeugung:
    „Das glaube ich kaum…“
     
    Elli richtete sich mit Marthas Hilfe einigermaßen häuslich in der Pension ein. Sie rechnete mit einem längeren Aufenthalt, bis sich die Dinge so weit geklärt hätten, dass sie sich eine eigene Wohnung würde nehmen können oder vielleicht ganz aus der Stadt wegziehen würde, um neu anzufangen. Wie ein solcher Schritt genau aussehen sollte, lag noch vollkommen im Dunkeln. Zunächst einmal wollte sie sich über ihre Lage klarwerden, alles verarbeiten und dann die nächsten Schritte planen. Martha hatte Recht: Eile war hier kein guter Ratgeber. Wie gewohnt ging sie ihrer Tätigkeit in der Suppenküche nach - mit dem Unterschied, dass ihr Weg dorthin nun länger war. Einen Teil des Weges legte sie mit dem Pferdeomnibuszurück, der in der Nähe der Pension hielt. Danach musste sie vom Haltepunkt in der Stadt noch eine kurze Strecke mit der Pferdebahn fahren, um das letzte Stück zur Suppenküche zu Fuß zurückzulegen.Sie zog es vor, ihre Vereinskameradinnen nicht einzuweihen und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Der einen oder anderen Mitstreiterin fiel zwar auf, dass sie ruhiger war als sonst, aber in der allgemeinen Geschäftigkeit gingen solche privaten Befindlichkeiten ebenso rasch wieder unter wie sie hervorgetreten waren. Von Kabus sagte man, er sei wegen einer Verletzung im Militärhospital. Die näheren Umstände waren nicht bekannt… Sonst sah und hörte man zu Ellis Erleichterung nichts von ihm. Die Spendenaktion für das Militär war inzwischen gut eingespielt. So blieb ihr vorerst ein weiterer Kontakt zur Garnison erspart. Sollte dieser dennoch erforderlich werden, würde sie eine Lösung finden, die weitere Begegnungen mit Kabus ausschloss. Elli dehnte ihre Dienstzeiten aus, um möglichst wenig Zeit alleine in der Pension verbringen zu müssen. War sie für sich, kamen die Gedanken an Benthin sofort wieder schmerzlich hoch. Es sah nicht so aus, als könne sie die Trennung so leicht überstehen wie sie zunächst annahm, als sie sich bei Martha ausgesprochen hatte. Tatsächlich wurde sie von ihren Tränen überwältigt, sobald sie ihr Zimmer betrat und begann sich zu fragen, ob dies niemals aufhören würde. Es fühlte sich auf eine unbestimmte Art falsch an, hier zu sein, und doch konnte sie weder zu ihm, noch zu ihren Eltern gehen. Sie war bereit, die Konsequenzen für ihr Fehlverhalten zu tragen. Tapfer versuchte sie, sich auf ein Leben einzustellen, in dem sie erstmals ganz auf sich gestellt sein würde. Bevor sie sich in Benthin verliebt hatte, war dieses Lebensmodell für sie eine durchaus brauchbare Alternative zur Ehe gewesen. Wie hatte sie sich Benthin gegenüber ausgedrückt, als er sie fragte, ob sie denn grundsätzlich nicht heiraten wolle? So kann man das nicht sagen. Es ist nicht das höchste Ziel für mich, einen Ehemann zu finden. Ich würde ein interessantes Leben ohne Mann einem langweiligen Leben mit Mann vorziehen.  Und er hatte geantwortet, ein Mann an ihrer Seite müsse demnach recht tolerant sein. War das Leben mit ihm uninteressant gewesen? Im Gegenteil - es war die reinste Achterbahnfahrt der Gefühle. Hatte er sich als tolerant erwiesen? Durchaus - man konnte nicht von ihm erwarten, einen Geliebten seiner Frau zu akzeptieren. Das wäre selbst für den tolerantesten Ehemann zu viel verlangt. Möglicherweise war sie zu intolerant? Für Männer galten immer noch andere Regeln als für Frauen. War es nicht an der Tagesordnung, dass Ehen ohne wahre Zuneigung geschlossen wurden und Männer Geliebte hatten?

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