Seine einzige Versuchung
hatten, dass es nicht gut ist, wenn ein Mann seiner Frau zu viel durchgehen lässt! Benthin bekam von dem ganzen Klatsch und Tratsch nichts mit - es war ihm ohnehin alles gleichgültig. Er hätte alles dafür gegeben, wenn er nur endlich wieder funktionieren würde. Doch die Dinge waren ihm entglitten und lagen nicht mehr in seiner Hand. Auch Paulsen entging nicht, wie schlecht es seinem Chef ging. Er konnte es nicht mehr mit ansehen, wie Benthin sich zu seinen Terminen schleppte und sich in nicht minder schlechter Verfassung von ihm zurückbringen ließ.
„Diese Frauenzimmer - mit ihnen looft nüscht, ohne‘ se ooch nich‘! Wollen‘se denn nich‘ endlich ma mitta reden?“ Benthin war bereits seit Tagen nicht mehr in der Lage für Höflichkeiten. Seine Worte fielen ungewohnt brüsk aus:
„Bitte Paulsen, verschonen Sie mich mit Ihren Weisheiten!“ Paulsen zeigte sich unbeeindruckt von seinem schroffen Tonfall:
„Ick kann dit nich‘ mehr mit anseh’n, wie schlecht‘et Ihnen jeht. So jeht dit doch nich‘ weeter!“
„Das geht Sie nichts an!“
„Dit jeht mir sehr wohl ‘was an! Wenn‘se nämlich so weeter machen, muss ick mir bald ‘ne neue Stelle suchen, weil‘se sich zujrunde richten!“ Paulsen ließ keinen Zweifel aufkommen, wie ernst er es meinte. Er sah sich durchaus in der Verantwortung für seinen Arbeitgeber. Sie kannten sich schließlich schon zu lange, um noch ein Blatt vor den Mund zu nehmen. „Ick will Ihnen ma‘ eens sag‘n: wenn‘se meenen, ick halt‘ mir da schön ‘raus und seh‘ zu, wie‘t Ihnen jeden Tach schlechter jeht, dann ham‘se sich jeschnitten!“ Benthin horchte auf. So einen Ton hatte Paulsen sich ihm gegenüber noch nie herausgenommen. Benthin hatte ihm Unrecht getan, so barsch zu reagieren. Paulsen konnte nichts für sein Unglück, ebenso wenig wie Blöhm und Frau Roth, die er beide ebenfalls in den letzten Tagen hart angegangen war. Da er nicht in der Verfassung für eine Diskussion war, stellte er seinem Kutscher eine Frage, ohne sich jedoch für sein schlechtes Benehmen zu entschuldigen:
„Was schlagen Sie also vor, Paulsen?“ Paulsen nahm ihm die fehlende Entschuldigung nicht krumm. Er legte keinen besonderen Wert auf höfliches Geplänkel und konnte über den Mangel an Formalitäten hinwegsehen. Er wusste auch so, dass Benthin ihn respektierte.
„Ick bring‘se zu ihr, und dann reden‘se beede ma vanünftich wie zwee erwachsene Menschen mitteinanda.“
„Abgelehnt! Haben Sie auch brauchbare Vorschläge?“
„Was müssen‘se beede nur so bockbeinich sein? Se tun so als hätten‘se Zeit zu verlier’n! Als ob dit Leben nich‘ schon kurz jenuch wäre - ooch ohne seine Zeit mit Sturheit zu vaplempern!“
„Paulsen, ich habe Sie um andere Vorschläge gebeten.“ Benthin wurde schon wieder ungehalten. Er fühlte sich einer Begegnung mit Elli einfach nicht gewachsen. Je länger sie fort war, desto mehr schmerzte es. Gleichzeitig erschien es ihm immer unwahrscheinlicher, jemals wieder unbefangen mit ihr sprechen zu können. Was Paulsen vorschlug, ging über seine Kräfte. Paulsen verstand, dass Benthin für diesen Schritt noch nicht bereit war. Ebenso, wie er Benthins Respekt durch sein schroffes Auftreten hindurch spüren konnte, respektierte er ihn und seine verletzten Gefühle gleichermaßen.
„Se brauchen wohl noch ‘was Zeit. Soll ick Ihnen zum See ‘rausfahr‘n?“
„Danke, Paulsen. Ich bin gleich wieder da.“ Ohne weiteren Kommentar ging Benthin ins Haus, um sich umzuziehen und ein Handtuch zu holen. Paulsen atmete auf - wenigstens dazu hatte Benthin sich durchringen können. Er hoffte, die Bewegung im Wasser würde auch diesmal ihren Zweck nicht verfehlen. Zu oft schon hatte er erlebt, wie Benthin nach dem Schwimmen in einer deutlich besseren Verfassung war als vorher.
In der Tat verfehlte das Wasser seine unerklärliche Wirkung nicht. Benthin verausgabte sich vollkommen und trat zum ersten Mal seit Tagen gedanklich nicht auf der Stelle. Es gelang ihm endlich, sich auf ein Thema zu konzentrieren, das nichts mit seiner Frau zu tun hatte. Wie das Wasser, so gerieten auch die Gedanken wieder in Fluss, wenn auch nur vorübergehend. Als er wieder am Ufer angekommen war, setzte er sich kurz auf den Steg, um sich für einen Moment auszuruhen. Vermutlich würde er in dieser Nacht endlich wieder einmal etwas Schlaf bekommen, so erschöpft fühlte er sich. Schon waren die wiederkehrenden Bilder in seinem Kopf, die ganz allmählich
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