Seine einzige Versuchung
sagte immer, die Angst sitzt im Bauch. Mir hat es als Kind bei Angst geholfen, wenn er seine Hand auf meinen Bauch gelegt hat. Und ich hatte den Eindruck, dass es Dir auch hilft, besser zu schlafen - zumindest bis eben gerade.“
„Machst Du das denn schon länger?“, fragte er überrascht.
„Ja, die ganze Zeit schon, kurz nachdem die Träume begonnen haben. Du musst es doch bemerkt haben.“
„Nicht bewusst - es hat offenbar tatsächlich gewirkt“, gab er nachdenklich zu. „Allerdings hat mich Deine Hand eben auf Gedanken gebracht, die wenig schlaffördernd sind…“
„Du bist fast gestorben und immer noch schwer verletzt und denkst an so etwas?“, schalt sie ihn empört. Nicht ohne Sarkasmus entgegnete er:
„Entschuldige bitte, dass ich erste Ansätze von Regungen eines gesunden Mannes zeige.“ Bedauernd fügte er hinzu: „Es wäre mir wirklich lieber, wir würden nachts aus erfreulicheren Gründen nicht zum Schlafen kommen. Aber Du hast natürlich recht - ich bin wirklich noch nicht wieder richtig hergestellt. Dieses verdammte Schmerzmittel hält mich in einem Dauernebel und vereitelt jegliche ernsthafte Bemühung in diese Richtung. Trotzdem wäre es mir lieber, wenn Du Deine Hand auf meine Brust legst...“
„Wie Du meinst.“ Elli war nicht überzeugt, wollte ihm den Wunsch aber nicht abschlagen. Schon äußerte er den nächsten:
„Kannst Du schlafen, wenn Du mit dem Kopf auf meiner Brust liegst?“ Mit etwas unbeholfenen Bewegungen, die dem Schmerz zuzuschreiben waren, legte er seinen gesunden Arm um sie und versuchte, ihren Kopf an seiner Brust zu bergen. Sie seufzte wohlig. „Gefällt es Dir, dort zu liegen?“
„Mmmh, ich wollte es schon länger tun, aber ich dachte, dass Dich das am Schlafen hindert.“
„Mich wohl weniger als Dich - es ist bestimmt etwas zu hart auf die Dauer. Ich will nicht, dass Du Dich noch länger nachts wachhältst. Du hast doch gar nicht geschlafen, seit ich wieder zu Hause bin. Oder sehe ich das falsch?“
„Ich will, dass es Dir wieder besser geht.“
„Elli, Du weichst mir aus - hast Du geschlafen oder nicht?“
„Vielleicht etwas weniger als sonst.“ Sie wollte nicht, dass er ihretwegen ein schlechtes Gewissen bekam. Das konnte ihn nicht überzeugen. Die Beweislast, die er gegen sie vorzubringen hatte, war erdrückend:
„Du hast überhaupt nicht geschlafen. Denn sonst hätte ich nicht schlafen können - wegen Deiner Angewohnheit, mir im Schlaf ständig Tritte und Ellenbogenstöße in die Rippen zu verpassen. Du musst völlig erschöpft sein.“
„Das ist nicht der Rede wert…“
„Oh, doch. Ohne Deine Hilfe wäre ich innerhalb von ein paar Tagen ein Wrack gewesen - so viel habe ich immerhin noch mitbekommen… Danke.“ Zärtlich streichelte er über ihr Haar. „Und jetzt gehst Du brav in Dein Schlafzimmer, um wenigstens die letzte Nacht vor unserer anstrengenden Reise noch einmal richtig zu schlafen.“ Elli blieb stur liegen. „Du wirst Dich schon bewegen müssen - tragen kann ich Dich beim besten Willen nicht… noch nicht.“
„Ich gehe nicht in mein Zimmer. Du schläfst noch immer sehr unruhig und bist noch nicht stabil genug. Ich kann im Zug schlafen und dann im Hotel. Ins Sanatorium lassen sie mich ja bestimmt nicht hinein.“
„Ich werde nicht im Sanatorium schlafen - die Wochen im Krankenhaus haben mir gereicht.“
„Du wirst dort schlafen müssen…“
„Das werden wir ja sehen“, gab er ihr entschlossen zu verstehen. „Und was die heutige Nacht anbelangt - Du bestehst also darauf, hier zu bleiben?“
„Ja!“ Er war für einen Augenblick versucht, sie zu piesacken, indem er vorgab, seinen Posten zu verlassen und in ihr Bett umzuziehen, aber es war zu schön, sie an seiner Brust zu spüren. Ihr Herzschlag beruhigte ihn und machte ihn bereits schläfrig. Wenn es nach ihm ginge, hätte sie jede Nacht so auf ihm liegen können.
„Gut, dann werde ich darauf bestehen müssen, dass Du mich sofort zur Nacht küsst und zwar nicht wie einen Kranken…“
Die Heilbehandlungen im Sanatorium zeigten den gewünschten Erfolg. Sowohl Jakob als auch Benthin kehrten ganz allmählich wieder zu ihrer gewohnten Form zurück. Für den Jungen war es trotz der Schwere seiner Verletzung in Anbetracht seines jugendlichen Alters etwas leichter, aber auch Benthins Fortschritte waren nicht zu verachten. Er erwies sich als geduldiger und vor allem zäher Patient, der sich eher zu viel als zu wenig zumutete und mitunter von den
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