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Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
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tadelnden Worten folgten gegensätzliche Taten. Sie legte sich dicht neben ihn und streichelte liebevoll sein Gesicht und seinen Hals wie eine Mutter es bei ihrem kranken Kind tut. Er gab sich dem Gefühl, von ihr umsorgt zu werden, dankbar hin. Schläfrig murmelte er:
    „Bleibst Du noch, bis ich eingeschlafen bin?“
    „Ich bleibe die ganze Nacht bei Dir, Liebster“, flüsterte sie ihm ins Ohr.
    „Aber dann werden wir beide nicht schlafen können.“
    „Doch, Du wirst schlafen, ich beschütze Dich, falls Du wieder schlecht träumst.“ 
    „Aber…“ Sie legte einen Finger auf seinen Mund. Er war zu müde und schwach, um noch länger Widerstand zu leisten. Insgeheim war er froh, sie bei sich zu haben und ihre Nähe zu spüren. Er würde sie brauchen. Irgendetwas sagte ihm, dass es sich mit dem einen Albtraum nicht erledigt haben würde. Der Traum war zu drastisch, zu real erschienen, um sich nicht noch einmal den Weg in sein Unterbewusstsein zu bahnen und die fürchterliche Erinnerung in noch größerem Schrecken darzustellen. Kurze Zeit später, die Elli bei Kerzenschein seine Hand haltend neben ihm gewacht hatte, nahm sie eine zunehmende Unruhe an ihm wahr. Er warf den Kopf einige Male hin und her und atmete flach. Gequälte Laute kamen aus seiner Kehle. Er träumte wieder. Plötzlich schreckte er laut aufatmend hoch und saß senkrecht im Bett. Doch diesmal war sie bei ihm. Sie setzte sich ebenfalls auf und streichelte beruhigend sein Gesicht und seine Brust und redete tröstend auf ihn ein. Wieder hatte er geschwitzt, und sie rieb ihn abermals mit dem Handtuch ab. Das Hemd mussten sie diesmal nicht wechseln. Er war so erschöpft, dass er sich ohne Kommentar von ihr helfen ließ und im Halbschlaf wieder in sein Kissen sank. Noch zweimal wiederholte sich der Albtraum, der ein veritabler Albtraum für sie beide zu werden drohte in dieser Nacht. Auch die Nächte darauf wurde Benthin von seinen Erinnerungen gequält. Stur nahm sich Elli den düsteren Gestalten an, die ihren Mann vernichten wollten. Sie wartete geduldig, bis er wieder von einer Angstattacke erfasst wurde. Inzwischen war sie in der Lage, die ersten Anzeichen der Unruhe in seinem Schlaf zu erkennen, denen ein Albtraum folgen würde. Sie klopfte ihm sacht auf die Wange, um ihn aus der Hölle, in der er sich befand, zu holen. Leise, aber eindringlich sprach sie auf ihn ein:
    „Julius… Julius. Ich bin hier. Ich bin bei Dir. Schlaf‘ weiter - es ist alles in Ordnung, Du hast nur schlecht geträumt.“ Sie legte die Hand auf seinen Bauch. Als sie noch ein Kind gewesen war, hatte ihr Vater dies immer getan, wenn sie nachts manchmal Angst bekam. Die Angst sitzt im Bauch. Meine Hand zieht sie aus Dir heraus. Das hatte er immer gesagt. Und seltsamerweise funktionierte sein Trick jedes Mal. Sicher, sie war ein Kind gewesen, aber Benthin war in diesen Nächten beinahe so hilflos wie ein Kind. Warum sollte sie es nicht versuchen? Tatsächlich beruhigten ihn die Geste und vielleicht auch ihre Worte innerhalb kurzer Zeit, so dass er von seinem wiederkehrenden Traum nicht mehr in dem Maße in die Tiefe gezogen wurde, wie es noch in den ersten Tagen geschehen war. Die Phasen, in denen er einigermaßen ruhig und fest schlafen konnte, wurden länger, die aufwühlenden Traumepisoden weniger. Und wenn sie kamen, konnte er mit Ellis Hilfe rechtzeitig aufwachen, um dem blanken Schrecken zu entgehen. 
    Der Tag rückte näher, an dem sie ihre Fahrt ins Sanatorium antreten sollten. Es war nicht unmittelbar im Anschluss an den Klinikaufenthalt möglich gewesen. Inzwischen fing Benthin an, sich um Ellis Verfassung Sorgen zu machen. Immerhin hatte sie seit einer Woche vermutlich kein Auge zugetan, indem sie über seinen Schlaf wachte. Sie sah entsprechend müde aus und nickte tagsüber immer wieder dort, wo sie sich für eine kleine Pause hingesetzt hatte, ein. In der letzten Nacht vor ihrer Abreise schmiegte sie sich wie die Nächte zuvor wieder dicht an ihn und legte - schon ganz selbstverständlich - ihre Hand auf seinen Bauch, als er eingeschlafen war. Dann murmelte sie ihre Formel gegen die Angst.
    „Funktioniert das auch, wenn Du Deine Hand ein Stockwerk tiefer legst?“, frage er sie plötzlich mit hellwacher Stimme. Sie konnte sein Grinsen förmlich in der Dunkelheit spüren.
    „Ich dachte, Du schläfst…“ Sie klang leicht entrüstet.
    „Ja, das hatte ich auch vor, als sich plötzlich eine weibliche, zarte Hand auf meinen Bauch schob…“
    „Mein Vater

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