Seine einzige Versuchung
kaum!“ Professor Preuß war nun ernsthaft ärgerlich auf Elli. Auch wenn er grundsätzlich geneigt war, seiner Tochter wohlwollend zu begegnen, drohte das Gespräch zu eskalieren. Elli war dem Druck seiner Argumente nicht mehr gewachsen:
„Also gut, frag‘ ihn doch selbst! Ich habe mir jedenfalls nichts vorzuwerfen. Aber wenn Du darauf bestehst, entschuldige ich mich bei ihm!“
„Was soll denn das jetzt schon wieder heißen? Hat er sich denn etwa etwas vorzuwerfen?“ Elli errötete. Sie kam sich vor wie ein Fisch, der am Haken zappelte. Aber sie würde sich eher die Zunge abbeißen als den Eltern ihren emotionalen Aufruhr zu gestehen. Dies war eine Sache zwischen ihr und Benthin, die niemanden etwas anging.
„N-nein, natürlich nicht. Das habe ich nur so dahingesagt.“
„Elli, Du bist kein Kind mehr und solltest Dich entsprechend benehmen. Du kannst nicht bei jeder Gelegenheit herausposaunen, was Dir gerade in den Sinn kommt, wenn Dir etwas an jemandem nicht passt. Das verletzt den anderen.“
„Ich weiß“, antwortete sie mit gesenktem Kopf. Nun tat es Preuß beinahe leid, Elli so unter Druck gesetzt zu haben. Nach einer kurzen Gedankenpause fügte er selbstkritisch hinzu:
„Vielleicht habe ich Dir wirklich zu viel durchgehen lassen und Deine Streitlust zu wenig gedämpft. Du machst Dir damit das Leben unnötig schwer, wenn Du keinem Konflikt aus dem Wege gehst. Manchmal ist es besser, zu schweigen.“ Er sah, dass ihr die ernste Unterredung nahe gegangen war, doch die Worte schienen notwendig gewesen zu sein. In diesem Punkt war er sich mit seiner Ehefrau einig. Er tätschelte Ellis Wange zur Aufmunterung:
„Kopf hoch, Elli! Das wird jetzt mit Benthin geklärt, und Du achtest in Zukunft etwas besser auf Deine Wortwahl. Dann ist die Angelegenheit ein für alle Mal erledigt.“ Wenn es doch nur so einfach wäre - gar nichts ist geklärt und erledigt. Es wird im Gegenteil immer komplizierter. Ihr habt doch alle keine Ahnung! Elli behielt ihre Gedanken selbstverständlich für sich. Dabei wunderte sie sich, für wie naiv ihr Vater sie anscheinend hielt, da er meinte, sie über die Kraft des Wortes aufklären zu müssen. Sie war sich sehr wohl im Klaren darüber, dass man mit Worten Menschen tief verletzen konnte und legte es keinesfalls darauf an. Was mit Benthin geschehen war, entzog sich jedoch ihrem Erfahrungsschatz und hatte eine unkontrollierbare Reaktion nach der nächsten bei ihr ausgelöst. So sehr sie auch eine weitere Begegnung mit ihm herbei sehnte, so sehr verwünschte sie die Umstände und die Einmischung ihrer Eltern. Immerhin sah es so aus, als ob diese bislang keine Ahnung von den wahren Hintergründen hatten, was Elli nicht ganz ohne Genugtuung feststellte, als sie schließlich die Tür des Arbeitszimmers hinter sich schloss.
Kapitel 7
Benthin las hastig die Zeilen des Professors, die ein Eilbote gebracht hatte :Muss Sie dringend sprechen. Bitte erscheinen Sie umgehend. Preuß
Er war soeben von seinem erfrischenden Bad im Waldsee zurückgekehrt und voller Tatendrang für seinen Fall, als er die Nachricht vorfand. Nun war es also passiert - die Bombe war geplatzt. Er sah die Szene beinahe vor sich, wie Elli den Eltern verzweifelt eröffnete, was er sich ihr gegenüber herausgenommen und damit die Anstandsregeln und ihre Gefühle verletzt hatte. Warum hatte er sich nicht beherrschen können und ihr mehr Zeit gegeben, um sich die Dinge in aller Ruhe entwickeln zu lassen? Nun würde Preuß ihm die Freundschaft aufkündigen, weil er seiner Tochter zu nahe getreten war. Als wäre das nicht schlimm genug, sah er auch Elli als verloren an. Der Gedanke war ihm unerträglich. Allein ein Hoffnungsfunke bestand in einer Aussprache mit ihrem Vater. Ich muss mich dem Gespräch mit Preuß stellen - ich habe nichts mehr zu verlieren. Vielleicht kann ich ihn überzeugen, dass meine Motive im Grunde genommen ehrenhaft sind, wenn mein Verhalten es auch eindeutig nicht gewesen ist. Wie konnte ich nur… Er fragte sich, warum sein Verstand in Ellis Gegenwart wie gelähmt gewesen war. Benthin beschloss, sich vorerst nicht mehr in ihre Nähe zu begeben und wusste zugleich, dass er diesen Vorsatz nur unter größten emotionalen Qualen würde einhalten können. Sein weiteres Verhalten würde er vom Urteil des Professors abhängig machen. Er wollte nicht hinter seinem Rücken agieren - schließlich waren sie Freunde.
„Benthin, gut, dass Sie so schnell gekommen sind. Bitte setzen Sie
Weitere Kostenlose Bücher