Seine einzige Versuchung
aufzuziehen, was er gehört hatte. Da bin ich wütend geworden, und ein Wort ergab das andere.“
„Also stimmt es doch, dass er Deinetwegen das Haus im Zorn verlassen hat, ohne sich zu verabschieden?“ Allmählich wurde der Professor ungeduldig.
„Nein, Martha hat sich eingemischt und ihn gebeten, von seiner Arbeit zu erzählen… Das war wirklich sehr interessant. Wusstest Du, dass er auch Klienten verteidigt, die nicht die Mittel für einen Anwalt haben? Er hat von einem seiner Fälle gesprochen, in dem…“
„Elli, Du weichst aus. Ich weiß, dass er erstklassige Arbeit leistet. Das brauchst Du mir nicht zu erzählen - wir treffen uns schließlich regelmäßig auf Fachtagungen. Also, was geschah dann?“
„Dann musste Martha weiter arbeiten - die Torte sollte noch vorbereitet werden. Er hat sich freundlich verabschiedet und Euch grüßen lassen. Ich vermute, dass er noch an einem dringenden Fall arbeiten musste.“ Elli war froh über diese kleine Ausrede, die ihr spontan in den Sinn gekommen war. Dies erschien ihr eine nachvollziehbare Möglichkeit, die hoffentlich auch ihren Vater überzeugen würde.
„Mm, sieht ihm so gar nicht ähnlich, sich einfach so zu verdrücken… das muss schon ein besonders dringender Fall gewesen sein. Ich kann mir auch überhaupt nicht vorstellen, dass er laut geworden sein soll. Er ist immer so ruhig und besonnen…“ Immerhin wirkte der Professor inzwischen etwas weniger aufgebracht, stellte Elli zu ihrer Erleichterung fest. Benthin als ruhigen und besonnenen Charakter zu bezeichnen, wäre ihr nach diesem Tag nicht im Traum eingefallen. Er wirkte auf sie offensichtlich vollkommen anders als auf ihren Vater. Doch das war nun zweitrangig, galt es doch, den Professor vollends von ihrer Unschuld zu überzeugen. Vor allem wollte sie keinerlei Verdacht aufkommen lassen was ihren verstörten emotionalen Zustand betraf, an dem Benthin maßgeblich beteiligt war.
„Das war alles höchstens halb so schlimm wie es Dir wahrscheinlich zugetragen wurde. Du kennst doch Mutter…“ Diesen kleinen Seitenhieb konnte Elli sich nicht verkneifen. Immerhin hatte ihre Mutter mit ihren unsäglichen Verkupplungsversuchen den Grundstein für Ellis Wutausbruch gelegt. Einen Augenblick lang fragte Elli sich, was genau ihre Mutter wohl mit Benthin besprochen haben mochte, nachdem sie die Flucht in den Garten ergriffen hatte. Sein Handeln wirkte nicht fremdbestimmt - er war kein Mann, der sich etwas vorschreiben ließ. Allerdings kannte Elli ihre Mutter und deren manipulative Art nur zu gut. Sie konnte sich durchaus vorstellen, dass Benthin sich aus Höflichkeit und Achtung gegenüber ihren Eltern mit ihr befasste. Sollte dies seine einzige Motivation gewesen sein, wäre sie zugegebenermaßen sehr enttäuscht von ihm. Wieder wurde sie von der Sorge erfasst, er werde vielleicht auf Distanz gehen, indem er sich fernhielt. Aber warum hatte er dann diese Empfindungen in ihr ausgelöst, oder bildete sie sich nur ein, dass er sie ganz bewusst auf diese Art und Weise berührt hatte? Und warum sah er sie ständig so an, dass sich alles in ihr zusammenzog?
„Lass gut sein, Elli. Du weißt, sie meint es nur gut. Trotzdem - irgendetwas kommt mir an der ganzen Angelegenheit Spanisch vor. Ich werde wohl mit Benthin sprechen müssen und zwar möglichst bald.“ Damit hatte er seinen Trumpf ausgespielt.
„ Nein !“ Elli hatte sich schon in Sicherheit gewogen, das leidige Thema endlich abschließen zu können, dabei aber die Beharrlichkeit ihres Vaters unterschätzt.
„Warum denn nicht ?! Elli, Dein Verhalten veranlasst mich, anzunehmen, dass der Vorfall nicht so harmlos war,wie Du es mir hier darzustellen versuchst!“ Allmählich geriet der Professor außer sich angesichts ihres Herumlavierens.
„Ich meine, es ist nicht nötig, das Geschehene so aufzubauschen. Ich habe einen Fehler gemacht und eingesehen. Jetzt möchte ich nicht immer wieder daran erinnert werden!“
„Das glaube ich gerne, aber findest Du nicht, dass eine Entschuldigung bei ihm angebracht wäre?“
„Ich kann doch nichts dafür, dass er mein Gespräch mit Mutter belauscht hat!“, entgegnete sie mit zunehmender Verzweiflung, da er sie immer mehr in die Enge trieb.
„Also, nun verdrehst Du ja wohl die Tatsachen! Nach meinen Informationen hat er doch wohl nicht gelauscht, sondern kam zufällig vorbei, als Du Dich abfällig über ihn geäußert hast! Ich verstehe gar nicht, wie es dazu kommen konnte - Du kennst ihn doch
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