Seine einzige Versuchung
meiner Zeit fordern.“ Elli ließ sich ihre Ernüchterung nicht anmerken. Sie wusste schließlich, dass er ihr in den vergangenen Monaten viel von seiner wertvollen Zeit geschenkt und seine Arbeit vernachlässigt hatte. Darüber hinaus wollte sie ihren Mann in seinem Beruf unterstützen so gut sie konnte und ihn keinesfalls von seiner Tätigkeit abhalten.
„Es macht mir nichts aus, die Gegend ein wenig alleine zu erkunden.“
„Gut, Du kannst selbstverständlich auch Paulsens Dienste in Anspruch nehmen, wenn Du nicht zu Fuß gehen möchtest.“ Benthin schien beinahe erleichtert, dass Elli so entgegenkommend auf seine nicht sonderlich vielversprechende Ankündigung reagiert hatte. Er wollte ihr keinesfalls das Gefühl geben, eingeschränkt oder an sein Haus gebunden zu sein. Seiner Einschätzung nach würde sich Elli in seiner - von Gerlach so getauften - Junggesellenhöhle nach dem Leben in ihrem hellen, freundlichen Elternhaus erst einmal fremd fühlen und so oft wie möglich den Weg nach draußen suchen. Er wollte indessen liegen gebliebene Fälle aufarbeiten und zielstrebig an seinen politischen Ambitionen weiterarbeiten. Es kam ihm somit entgegen, eine eigenständige Frau wie Elli zu haben, die sich nicht lange damit aufhielt, ihn zu überreden, ihr ständiger Begleiter zu sein.
Während Elli noch überlegte, ob sie sich über seine Großzügigkeit freuen oder sich vielmehr von ihm abgefertigt fühlen sollte, sah sie in einiger Entfernung eine Dame näherkommen, die offensichtlich alleine unterwegs war. Es handelte sich um eine auffallend elegante Erscheinung. Doch irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Elli konnte nicht ausmachen, worin sich dieser Eindruck begründen ließ. Vielleicht war es das auserlesene Kleid mit dem beachtlichen Dekolleté oder ihr Gesicht, das für Ellis Geschmack einen Hauch zu stark geschminkt war. Als sie auf gleicher Höhe waren, lächelte die Dame Benthin zu. Ein amüsiertes Schmunzeln umspielte ihre Lippen. Elli spürte seine Anspannung und registrierte ein fast unmerkliches Nicken, mit dem er reagierte. Sie konnte sich des Eindruckes nicht erwehren, dass die beiden sich kannten. Daraus ergab sich die Frage, warum er es nicht für notwendig befunden hatte, sie einander vorzustellen und ob sie womöglich der Grund für sein distanziertes Verhalten sein könnte, seit sie hier angekommen waren. Die wildesten Gedanken schwirrten durch ihren Kopf. Wieder spürte sie, wie das hässliche Gefühl der Eifersucht sie übermannte. Wer war diese merkwürdige Frau? Und wer war Greta? Die Angst vor der Wahrheit ließ sie schweigen. Elli war außer sich - gerade einmal einen Tag war sie verheiratet und vermutete schon das Schlimmste, was ihren Ehemann anbelangte. Mindestens ebenso schlimm war die Feststellung, dass sie mit der Eheschließung offensichtlich ihren üblichen Schneid verloren hatte und sich in betretenem Schweigen übte, anstatt wie früher einfach mit ihren Gefühlen herauszuplatzen. Ihre beklemmenden Gedanken wurden von seinem Räuspern unterbrochen:
„Wir sollten zurückgehen. Wir haben noch den ganzen Weg bis nach Hause vor uns“, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Er wollte schleunigst den Park verlassen. Bisher hatte er den Park nur gelegentlich sonntags aufgesucht, wenn viele gut gestellte Bürger mit ihren Familien hierher kamen, um das gute Wetter zu genießen. Vermutlich mieden käufliche Damen zu solchen Zeiten das Terrain, um delikate Begegnungen, wie diese soeben erlebte, zu vermeiden. Benthin war peinlichst berührt, der ihm bekannten Prostituierten ausgerechnet gemeinsam mit seiner frisch angetrauten Ehefrau begegnet zu sein. Ellis Frage nach anderen Frauen in seinem bisherigen Leben hatte er wahrheitsgemäß beantwortet - er wollte ihr nichts vormachen. Dass er zugegebenermaßen ein Vorleben hatte, hieß aber nicht, dass Elli so unmittelbar damit konfrontiert werden sollte wie es hier geschehen war. Er konnte sich kaum vorstellen, es könne Ellis sensibler Aufmerksamkeit entgangen sein, wie angespannt er auf die ungewollte Begegnung reagiert hatte. Umso mehr wunderte er sich über ihre Zurückhaltung. Er erinnerte sich an ihre unbefangene Art, als sie ihn am Waldrand ganz direkt gefragt hatte, ob er auch anderen Frauen näher gekommen sei. Sie war so unglaublich unschuldig, dass es ihm beinahe körperlich wehtat, sie so hart der Realität ausgesetzt zu sehen. Ärgerlich schob er den erregenden Gedanken an Ellis hingebungsvolle
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