Seine einzige Versuchung
irritierten Blicken und seinem gelegentlichen Kopfschütteln. Seine Schritte führten ihn immer wieder zum Fenster, das zur Straße hinaus zeigte. Endlich sah er Elli und eilte in die Eingangshalle. Erleichtert stellte er fest, dass sie gesund und munter wirkte, aber einigermaßen durchnässt vom Regen war. Er hoffte, seine besorgten Worte würden nicht wieder von ihr missverstanden werden. Auch heute fiel ihm das Leuchten in ihrem Gesicht auf - sie war unbeschreiblich anziehend. Ohne Rücksicht auf ihren durchnässten Mantel zog er sie an sich und küsste sie auf die Stirn. Verdutzt über diesen unverhofft gefühlvollen Empfang, löste sich Elli aus seiner Umarmung und musterte ihn:
„Du wirst ja ganz nass!“ Sie spürte, wie sie ihm nicht mehr böse sein konnte und lächelte ihn an. Seine unverhoffte Berührung und die offensichtliche Sorge um ihr Wohlergehen ließen sie die nasse Kälte in ihren Kleidern vergessen und wärmten sie innerlich.
„Willst Du mir verraten, wo Du gewesen bist?“, tastete Benthin sich nun wieder vorsichtig vor, da er mit einem verbalen Hieb von ihr rechnete.
„Ja, aber ich möchte mir lieber erst trockene Sachen anziehen. Ich will nicht krank werden. Das käme gerade jetzt wirklich sehr ungelegen.“
„Selbstverständlich.“ Ihre vagen Andeutungen erschienen ihm einigermaßen rätselhaft und steigerten seine Neugier. Ungeduld gehörte eigentlich nicht zu seinen Schwächen, doch nun wartete er schon seit einer halbe Stunde, dass Elli endlich wieder nach unten kam. Er hielt es nicht mehr aus und ging nach oben. Als sie ihm gerade frisch umgezogen aus ihrem Zimmer entgegenkam, schob er schnell die in seinem Kopf aufblitzende, erregende Vorstellung beiseite, sie unbekleidet in ihrem Schlafzimmer vorzufinden. Er räusperte sich:
„Möchtest Du etwas Warmes trinken? Du musst vollkommen durchgefroren sein.“
„Sehr gerne! Ich hatte bisher nur ein Glas Wasser und ein paar Kekse, die mir der Kommandant angeboten hat“, platzte Elli nun zusammenhanglos heraus.
„Welcher Kommandant? Wovon sprichst Du?“ Benthin konnte ihr nicht folgen. Ihre Gedankensprünge überforderten seine Vorstellungskraft.
„Gehen wir in die Küche? Frau Roth ist nicht da - ich will mir etwas zu Essen machen.“ Elli genoss ein wenig ihre überlegene Position und spannte ihn absichtlich mit ihren unklaren Hinweisen auf die Folter. Auch wenn er äußerlich vollkommen ruhig wirkte, konnte sie doch seine Ungeduld spüren. Sie wollte diesen seltenen Moment seiner absoluten Aufmerksamkeit auskosten, gab es doch leider nur allzu wenige davon.
„Wie Du möchtest.“ Er ging rasch auf der Treppe voran. Im Hinuntergehen drehte er sich zu ihr um und schmunzelte: „Hast Du beschlossen, heute meine Geduld auf die Probe zu stellen?“ Elli war entzückt. Schon zum zweiten Mal an diesem Tag stand sie mit einem gut aussehenden Mann auf einer Treppe und sah sich mit ihm in eine anregende kleine Wortrangelei verwickelt. Und diesmal war es ihr Mann, der sich endlich einmal wieder von der Seite zeigte, in die sie sich verliebt hatte.
In der Küche wurde seine Geduld belohnt. Beim gemeinsamen Hantieren - er ließ es sich nicht nehmen, ihr zu helfen - berichtete Elli von ihrem Besuch des Frauenvereins am Vortag. Als beide schließlich am Tisch saßen und Tee tranken, erzählte sie ihm von ihrem Besuch in der Garnisonsverwaltung. Sie ging dabei nicht allzu sehr ins Detail, erwähnte aber den unfreundlichen Empfang und die Tatsache, dass der Kommandant Benthin anscheinend kannte.
„Wie war sein Name?“ wollte er wissen.
„Oberstleutnant Kabus. Er sagte, Ihr kennt Euch von früher, was immer das auch heißen mag…“
„Kabus? Richard Kabus? Ja, unsere Wege haben sich das eine oder andere Mal gekreuzt. Von wirklichem Kennen kann da eigentlich nicht die Rede sein. Er hat in mancherlei Hinsicht eine ziemlich andere Auffassung von den Dingen als ich, aber lassen wir das…“ Sein Hinweis hatte Ellis Neugier geweckt:
„Welche Dinge? Was meinst Du damit?“ Benthin zögerte, als müsse er zuerst überlegen, welche Begebenheit ihn zu seiner Äußerung veranlasst hatte.
„Wie soll ich es ausdrücken? Er ist vorwiegend damit beschäftigt, sich zu amüsieren, und ich habe den Verdacht, er lässt dabei die Bedürfnisse seiner Mitmenschen äußerst großzügig außer Acht.“
„Das klingt sehr allgemein. Was genau hat er denn angestellt?“, bohrte Elli nun nach. Es ließ ihr keine Ruhe, zumal sie sich erinnerte, wie
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