Seine einzige Versuchung
Tanzpartner seiner Frau so zu reagieren. Warum ausgerechnet Gerlach die Ablösung übernommen hatte, erschloss sich Elli nicht sofort. Sie beschloss, zunächst einmal das Ende des Tanzes abzuwarten, um ihn dann zur Rede zu stellen. Die Situation erinnerte sie notgedrungen an den Vorfall auf ihrem Geburtstag, als sie zum ersten Mal mit Benthin tanzte. Doch hier waren die Dinge anders gelagert - niemand hatte sie bedrängt oder sich ungebührlich verhalten… Nun ja, zumindest nicht mit Taten…
„Halten Sie sich zurück, Kabus!“ Benthin hatte ihn unauffällig beiseite genommen und aus dem Saal zitiert.
„Ich weiß überhaupt nicht, was Sie meinen, Benthin.“
„Wollen Sie meine Intelligenz beleidigen?“ Er bewegte seinen Kopf dichter an Kabus‘ Ohr und gab ihm leise, aber eindringlich und mit einem bedrohlichen Unterton zu verstehen: „Ich warne Sie. Lassen Sie Ihre Finger von meiner Frau.“ Benthin fixierte ihn kurz und durchdringend. Dann ließ er ihn links liegen, noch bevor Kabus sich eine Antwort zurechtlegen konnte. Er quittierte die Drohung mit einem süffisanten Lächeln, das er dem Kontrahenten hinterherwarf. So leicht würde er sich nicht aus dem Feld schlagen lassen - im Gegenteil, Benthins Eifersucht erhöhte den Reiz sogar noch.
Benthin hatte den vertrauten Umgang der beiden sehr wohl erfasst. Auch wenn Kabus sich unbeobachtet wähnte, war es ihm nicht entgangen, dass der Schürzenjäger gezielt den Kontakt zu Elli suchte und ihr anscheinend Vertraulichkeiten zuraunte, die nur für sie bestimmt waren. Möglicherweise war alles ganz harmlos, doch die Nähe, die sich der Frauenheld zu seiner Frau herausnahm, gefiel Benthin überhaupt nicht. Er wusste nur zu gut, dass Kabus keine Gelegenheit auslassen würde, sich einer attraktiven Frau zu nähern. Der Mann ließ nichts anbrennen, aber offenbar rechnete er nicht mit Widerstand von seiner Seite. Seine überraschte Reaktion auf Benthins Einschreiten hatte nicht gespielt gewirkt, auch wenn Kabus geschickt versuchte, zu kaschieren, dass man ihn überrumpelt hatte. Benthin war zornesgeladen und musste sich stark beherrschen, um ihm gegenüber nicht ausfallend oder handgreiflich zu werden. Wenn es um Ellis Ehre ging, drohte sein Verstand auszusetzen. Allein die Menschenmenge und der drohende Skandal hatten ihn davon abgehalten, Kabus gegenüber noch deutlicher zu werden. Und doch: trotz aller Vorsicht und Zurückhaltung war ein paar aufmerksamen Beobachtern, die immer und überall Skandale witterten, der kleine Zwischenfall nicht entgangen…
Benthins Wut hatte kaum nachgelassen, als Gerlach schließlich mit Elli zu ihm kam. Gerlach hatte ihre Frage nach seinem Ablöse-Manöver ebenso kurz beantwortet wie ihre Frage nach seiner Anwesenheit:
„Benthin hat mich darum gebeten.“ Dies erklärte allerdings nicht, weshalb Benthin nicht einfach selber den Tanzpartner abgelöst hatte. Elli wollte Gerlach nicht noch tiefer mit in die Angelegenheit hineinziehen. Er schien sich ohnehin schon unbehaglich in seiner Haut zu fühlen. Und doch hatte dem Freund den Wunsch nicht abschlagen können. Zwar kannte er das Gefühl nicht aus eigener Erfahrung - so nahe hatte er wohlweislich keine Frau je an sich herangelassen. Doch er ahnte, wie sehr Benthin von Eifersucht gequält wurde angesichts des Rufes, den der Oberstleutnant in eingeweihten Männerkreisen genoss.
„Danke, Gerlach. Wir sehen uns morgen. Elli komm, wir gehen!“ Er klopfte dem Freund kurz auf die Schulter, nahm Ellis Handgelenk und zog sie mit eiligen Schritten zum Ausgang. Er ging so schnell, dass sie ihm kaum folgen konnte. Wenig rücksichtsvoll zog er sie am ausgestreckten Arm hinter sich her, so dass sie beinahe stolperte. Elli wollte zum Protest ansetzen, doch er fuhr ihr dazwischen, indem er ihr ins Ohr zischte:
„Nicht hier!“ Es war ihm bitterer Ernst - daran ließ sein Gesichtsausdruck keinen Zweifel. Elli wagte nicht, ihm zu widersprechen. Auch während der Kutschfahrt sprach er kein Wort. Erst als er die Haustür hinter sich geschlossen hatte, stellte er Elli aufgebracht zur Rede:
„Was ist das da mit dir und Kabus? Und sag‘ jetzt nicht, Du weißt nicht, was ich meine!“
„Aber Du weißt doch, dass er den Verein und die Spendenaktion unterstützt. Ich habe Dir doch davon erzählt!“ Elli war nicht gewillt, irgendetwas zuzugeben, zumal sie sich ihrer Meinung nach nichts vorzuwerfen hatte.
„Das meine ich nicht! Ich habe es Dir schon einmal gesagt, wie seine Einstellung zu
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