Seine einzige Versuchung
gehörten aber dennoch nicht in gleichem Maße dazu wie diejenigen, die schon durch ihre Herkunft von Geburt an Mitglieder dieser elitären Kreise waren. Ihre Mutter war stets bemüht gewesen, dieses - aus ihrer Sicht - Manko zu korrigieren und betonte ständig, dass sie für ihre Töchter diesbezüglich große Pläne habe. Diese Aussichten missfielen Elli. Sie wollte so sein wie sie war und sich nicht anpassen oder verstellen müssen. Gewiss war durch diese innere Haltung schon sehr früh ihr berüchtigter Dickkopf geprägt worden. Sie passte nun einmal nicht in die gängigen Schubladen dieser Gesellschaft und legte auch keinen Wert darauf, diesen Umstand zu ändern.
Es war geradezu lächerlich, dass Elli ausgerechnet heute unter den Blicken des Gastes, in dem sie den ehemaligen Studenten ihres Vaters Julius von Benthin erkannt hatte, beim Herausklettern aus dem Boot mit ihrem Kleid hängengeblieben und ins Wasser gestürzt war. Sie hatte ihn zunächst gar nicht wahrgenommen, sondern nur das Gelächter ihrer zuerst herbeigeeilten Schwestern und das Schelten der Mutter gehört. Zischend hatte sie vor sich hin geflucht und laut verkündet:
„Die Vorstellung ist beendet - die Zuschauer können den Saal verlassen!" Dabei kletterte sie triefend aus dem See und fing einen irritierend durchdringenden Blick des zugegebenermaßen attraktiven Gastes auf, der sie verlegen machte. Sie fühlte sich vor ihm entblößt, als könne er geradewegs in sie hineinsehen. Die Situation erschien ihr im Rückblick noch viel blamabler als in dem Moment. Warum musste dieser arrogante Benthin gerade heute anwesend sein, als dieses unsägliche Missgeschick passierte ? Sie wurde rot bei dem Gedanken, wie sie ausgesehen hatte und schämte sich zutiefst. Nur, um eine weitere Begegnung mit Benthin an diesem Abend zu vermeiden, hatte Elli vorgeschoben, sich wegen einer angeblichen Verkühlung durch das unfreiwillige Bad unwohl zu fühlen. Die Sorge um ihre Gesundheit veranlasste die Mutter glücklicherweise, nicht auf ihr Erscheinen am Esstisch zu bestehen. Elli atmete erleichtert auf, als ihre Mutter das Zimmer verlassen hatte, um unten ihr Fernbleiben vom Abendessen zu verkünden.
Eine Woche später gab Familie Preuß ein Fest zum Anlass des einundzwanzigsten Geburtstages von Elli. Zu ihrer hellen Aufregung erfuhr sie am Morgen beim Frühstück, dass man ohne ihr Wissen auch Benthin beim Abschied seines letzten Besuches mit dem bedauerlichen Zwischenfall spontan dazu eingeladen hatte. Mit dieser Information war ihr bereits zu früher Stunde der Tag verdorben worden, was natürlich niemand ahnen konnte. Sie überlegte fieberhaft, wie sie einem weiteren, unvermeidlich peinlichen Zusammentreffen aus dem Weg gehen konnte, doch da es ihr Fest war, bestand kaum die Möglichkeit, sich nicht blicken zu lassen. Ihr Versuch, den spontanen Anflug einer Erkältung vorzutäuschen, schlug gründlich fehl. Die Mutter kannte sie immerhin so gut, dass sie dieses Manöver durchschaute und vermutete dahinter Ellis geringe Begeisterung für das Tanzen, das zu solchen Anlässen ihrer Meinung nach unbedingt dazu gehörte. Feste, auf denen das Tanzbein geschwungen wurde, stellten für Frau Preuß willkommene Gelegenheiten dar, einen guten Fang für ihre Töchter zu erzielen, insbesondere für ihre aufsässige Älteste. Ihr war schleierhaft, was Elli nun schon wieder zu ihrem widerspenstigen Verhalten veranlasste. Eigentlich sollte sie sich doch freuen, denn es wurden selbstverständlich auch Familien mit Söhnen im heiratsfähigen Alter eingeladen. So ließ sie Elli heute ihren Starrsinn nicht durchgehen. Frau Preuß bestand zudem auf eine feierliche Garderobe, die Ellis weibliche Formen betonen sollte anstelle eines schlichten und bequemen, etwas sportiven Kleides, das Elli viel besser gefiel als die romantisch anmutende Wahl ihrer Mutter.
Benthin hatte versucht, der erneuten und so baldigen Begegnung mit Elli zu widerstehen, doch er konnte dem Drängen des Professors und den Überredungskünsten der Frau Preuß beim Abschied nichts Überzeugendes entgegensetzen. Höchstens eine überraschend aufgetretene Erkrankung könnte eine Möglichkeit sein, sich der Einladung in letzter Minute doch noch zu entziehen. Er zog dies zu seiner Beruhigung in Betracht und wartete den näher rückenden Tag halbwegs gelassen ab. Am Tag der Feier war er mehrmals kurz davor, einen Eilboten mit einer Nachricht zum Haus des Professors zu schicken, in dem er sein Bedauern
Weitere Kostenlose Bücher