Seine einzige Versuchung
drücken? Sie müssen wissen, wir haben für den Abend noch einige Musiker bestellt, und sie war wenig begeistert von der Idee." Diese Aussichten begeisterten auch Benthin wenig, was er sich jedoch nicht anmerken ließ. „Ich werde der starrköpfigen Dame mal auf den Zahn fühlen… Bitte entschuldigen Sie mich."
„Sie hat es nicht leicht mit dem Mädchen", ergänzte ihre ältere Schwester und nahm einen Schluck aus ihrem Glas, das nun fast leer war. Benthin bot ihr sofort ein weiteres an, um sie abzulenken. Obwohl Elli sich anscheinend nicht mehr im Raum aufhielt, war sie für ihn unablässig präsent. Sehr zu seinem Missfallen wurden seine Gedanken immer wieder in ihre Richtung gelenkt, ob er wollte oder nicht.
„Denken sie, dass Elli jemals einen Mann finden wird?", fragte ihre Tante ihn nun ganz direkt, was Benthin wieder aus der Bahn warf. Er merkte, wie ihm erneut die Stimme zu versagen drohte, als er antworten wollte. Mit einem Räuspern begann er:
„Es wäre ihr zu wünschen, dass es jemand ist, der ihr Wesen aufrichtig schätzt." Seine Antwort überraschte Ellis Tante, doch bevor sie etwas dazu sagen konnte, wurde sie unterbrochen von einem klingenden Glas. Professor Preuß wollte eine kleine Ansprache zu Ehren seiner Tochter und zur Freude der Gäste halten. Man wusste, dass es ein Vergnügen war, seinen humorvollen Ausführungen zuzuhören. Er war außerdem bekannt dafür, die Geduld seiner Zuhörer nicht durch unendliche Redezeit unnötig zu strapazieren. Frau Preuß hatte Elli inzwischen in der Küche gefunden und sie mit tadelnden Worten wieder zurück in den Festsaal beordert. Es ging schließlich nicht an, dass sie als Hauptperson zu diesem Anlass fehlte.
Elli hatte sich nach der aufreibenden Situation mit ihrer Tante und Benthin rasch aus dem Festsaal entfernt und Zuflucht in der Küche gesucht. Dort herrschte reges Treiben - man war voll und ganz mit den notwendigen Maßnahmen zur Bewirtung der zahlreichen Gäste beschäftigt. Hier konnte Elli sicher sein, im allgemeinen Trubel nicht weiter beachtet zu werden. Schon als Kind hatte sie sich in der Küche wohl gefühlt. Dort sah man sie gerne und schätzte ihre natürliche Art und ihr aufrichtiges Interesse. Dabei stand sie nie im Weg herum, sondern machte sich nützlich, indem sie beim Schneiden oder Rühren half. Nun setzte sie sich nachdenklich auf einen Hocker in die Ecke. Immer noch fühlte sie seine Hand in ihrer, den festen, bestimmten Druck, seine warme, trockene Haut. Das anschließende, zögerliche Gleiten seiner Finger entlang ihrer Handinnenfläche hatte sie noch mehr aus der Fassung gebracht. Dazu das peinliche Erröten und die Anwesenheit ihrer neugierigen Tante - ausgerechnet! Gerade sie steckte ihre Nase zu gerne in Dinge, die sie nach Ellis Meinung nichts angingen. Fluchtartig hatte sie das Szenario mit einer eilig hingeworfenen Entschuldigung verlassen und sich kaum wieder gefangen, als ihre Mutter sie - leider früher als ihr lieb war - in der Küche fand und ihr Vorwürfe machte.
Nun stand sie also - entgegen ihrer Absichten - im Zentrum der Aufmerksamkeit neben den Eltern und blickte verlegen auf den Boden. Dies war ihrer Mutter nicht entgangen. Sie zischte ihr leise zu, sie solle sich benehmen und die Gäste ansehen. Der Grund für Ellis eigentümliches Verhalten lag auf der Hand: sie wollte es unter allen Umständen vermeiden, Benthin erneut in die Augen sehen zu müssen. Elli zwang sich, ihren Blick auf die Gesichter der Gäste zu richten, während der Vater zum Sprechen ansetzte. Seine heiteren Worte riefen bei den Zuhörern ein Lächeln hervor. Ellis Blicke schwirrten unruhig umher. Plötzlich wurde sie von seinen ernsten, dunklen Augen gefangen - er lächelte als einziger nicht. Sie spürte, wie sein sonderbarer Blick sie genauso verunsicherte wie zuletzt am See und konnte sich doch nicht von ihm lösen. Sie bemerkte, wie sie erneut errötete. Glücklicherweise hatte ihr Vater gerade eine kleine Anekdote aus ihrer Kindheit zum Besten gegeben, die die Gesellschaft zum herzlichen Lachen veranlasste, einige klatschten sogar kurz. Durch die Unterbrechung gelang es Elli, die irritierende Verbindung ihrer Blicke zu lösen und wieder andere Gäste anzusehen, die Richtung Benthins tunlichst meidend.
Benthin war indes erleichtert gewesen, endlich den Fragen von Ellis Tante entkommen zu sein und sah nun der Rede seines früheren Professors guter Dinge entgegen, weil er seine rhetorischen Fähigkeiten kannte und
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