Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seine einzige Versuchung

Seine einzige Versuchung

Titel: Seine einzige Versuchung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Westphal
Vom Netzwerk:
wieder klar zu denken und zu sprechen. Er fragte sich plötzlich, ob es richtig war, sie immer noch zu duzen, kam sich unendlich einfältig vor und befürchtete, alle würden ihn bei seiner Riesendummheit beobachten. Er hielt noch immer ihre Hand, spürte ihre kühle Haut, ihre Zartheit und nahm zugleich erstaunt den festen Druck ihrer Hand wahr. Für Elli war es von Kindesbeinen an selbstverständlich gewesen, die Hand eines anderen zur Begrüßung oder zum Gratulieren stets deutlich wahrnehmbar zu drücken. Darin war sie wie in vielen anderen Dingen schon früh dem Vorbild ihres Vaters gefolgt. Aus der Sicht ihrer Mutter geziemte sich dies nicht für eine vornehme junge Dame, wodurch Elli sich jedoch nicht davon abhalten ließ. Die Anwandlungen ihrer Mutter veranlassten Elli eher, sich genau entgegen ihrer gut gemeinten Ratschläge zu verhalten. Sie verabscheute das Getue vieler Frauen, einem Mann ihre Hand wie ein schlaffes Anhängsel ihres Armes hin zu halten, womöglich in der Erwartung, er würde ihnen - ganz altmodisch - einen Handkuss darauf hauchen. Elli fand diese Attitüden einfach nur lächerlich. Ebenso lächerlich erschien ihr die unfassbare und heimliche Sehnsucht, die sie überraschend spürte, Benthin möge genau in diesem Moment ihre Hand mit seinen Lippen berühren. Er durfte nichts davon bemerken - niemand sollte ihre Verlegenheit sehen. Was hatte er gesagt ? Die Worte hatte sie gehört, aber nicht verstanden. Sie wollte nur noch weg, weit weg. Sie fühlte sich beobachtet, obwohl die meisten Gäste ohnehin bereits in Gespräche vertieft waren. Zu allem Überfluss bemerkte sie nun, wie ihr das Blut in den Kopf schoss - ihr Gesicht schien zu glühen. Vermutlich sah sie bereits aus wie ein blinkendes Leuchtfeuer. Endlich löste er den ebenfalls fest erwiderten Druck seiner angenehm warmen Hand und begann, sie ungewöhnlich langsam aus ihrer Hand zurückzuziehen. Dabei strich er sanft mit seinen Fingerkuppen entlang ihrer Handinnenfläche. Es gelang ihm kaum, seinen Blick von ihrem leuchtenden Gesicht abzuwenden. Schließlich wandte er sich verwirrt zum Gehen. 
    „Diese jungen Männer von heute - einfach kein Benehmen mehr", stellte Ellis Tante spitz fest. Benthin hatte sich noch nicht weit von den beiden entfernt, so dass ihm die Bemerkung nicht entging. Sein Benehmen war in der Tat ungehörig, hatte er doch vergessen, sich Ellis älterer Gesprächspartnerin vorzustellen. Erschrocken kehrte er zu den beiden Frauen zurück und entschuldigte sich für seine schlechte Kinderstube, während er die Hand der Tante nahm und zu ihrem Entzücken versuchte, seinen Fauxpas mit einem Handkuss alter Schule wieder gut zu machen. Immerhin war er durch den Schreck wieder soweit bei sich, dass es ihm gelang, mit fester Stimme halbwegs vernünftige sprachliche Äußerungen von sich zu geben, die seine Zurechnungsfähigkeit nicht länger in Zweifel stellen ließen. Er zwang sich noch zu einigen weiteren Sätzen zwangloser Konversation mit der Tante, wobei er jeglichen weiteren Blickkontakt mit Elli vermied. Diese nutzte die Gelegenheit, um sich der Situation zu entziehen. Mit belegter Stimme rang sie sich die Worte ab:
    „Ich muss mich kurz entschuldigen…“, und verschwand zwischen den anderen Gästen.
    „Was hat sie denn plötzlich?", rätselte ihre Tante kopfschüttelnd „Nun ja, sie war ja schon immer ein sprunghaftes Ding. Wie wäre es, wenn Sie uns etwas zu trinken organisieren würden, Herr von Benthin?" Erleichtert über die Gelegenheit, dem heiklen Thema zu entkommen, entgegnete er galant:
    „Was immer Sie wünschen. Möchten Sie mich zum Buffet begleiten?" Er hatte sich wieder gefangen nach seiner unbegreiflich törichten Reaktion auf die Begegnung mit Elli. Was war nur los mit ihm? Normalerweise war er die Selbstbeherrschung in Person. Er schüttelte innerlich über sich den Kopf, während er sich mit Ellis Tante dem Buffet näherte und ihr ein Glas Champagner reichte. Unauffällig versuchte er, sich umzuschauen, wohin Elli verschwunden war, konnte sie aber nicht zwischen den anderen Gästen entdecken.
    „Ah, unser Herr von Benthin! Sie haben noch gar nicht mit mir angestoßen. Wie schön, dass Sie es einrichten konnten, heute zu kommen. Haben Sie sich schon mit meiner Schwester bekannt gemacht?" Frau Preuß hatte die beiden soeben gemeinsam erblickt und freute sich offensichtlich sehr über seinen Besuch. „Hat jemand Elli gesehen? Sie wird doch wohl nicht versuchen, sich vor dem Tanzen zu

Weitere Kostenlose Bücher