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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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wiederholt sich ein Szenario, das hinlänglich bekannt ist:
Es gibt Verschwörungen und Konflikte, die der Heilige Vater schlichten muss, um
die Einheit der Kirche zu wahren. Er muss verhindern, dass die Affäre weitere
Kreise zieht, und er muss schnell handeln, um den Schaden möglichst gering zu
halten.
    Monate vergehen, nichts scheint sich zu bewegen. Bis zu dem Tag, an
dem sich der Rückzug Boffos von der Leitung des Avvenire zum ersten Mal jährt. Am 2. September 2010 erscheint in Il Fatto Quotidiano ein offener Brief von Marco Travaglio
an Boffo. [12] »Sie haben sich lobenswerterweise verschwiegen gezeigt«,
hebt Travaglio an. »Aber warum? Wir wissen unter anderem von Feltri, dass Sie
selbst Il Giornale nie beschuldigt haben. […]
Vielleicht ist der Moment gekommen, das Schweigen zu brechen und endlich Licht
ins Dunkel zu bringen. […] Gibt es etwas, das wir nicht wissen?« Tatsächlich
weiß Travaglio nichts von den Briefen, die Boffo an den Privatsekretär des
Papstes geschrieben hat. Und er weiß nichts von der Hilfe, die Bagnasco unter
Mitwirkung von Gänswein zu organisieren versucht, um dem geschassten
Chefredakteur des Avvenire ein Comeback zu
ermöglichen – angefangen bei einem Vertrag über eine feste Zusammenarbeit mit
den Medienunternehmen der Italienischen Bischofskonferenz, der bereits
unterzeichnet ist, ohne dass die Sache an die große Glocke gehängt worden wäre.
Boffo aber sieht sich erneut unter Beschuss. Dann beschließt er, seine
Zurückhaltung aufzugeben – ohne allerdings an die Öffentlichkeit zu treten.
Stattdessen geht er auf seine Weise vor. Er nimmt Papier und Stift und schreibt
an Bagnasco.
    Boffo an Bagnasco: »Die Verwicklung ist zu groß«
    Ein Jahr ist vergangen, und der »Fall Boffo« ist noch
immer nicht zu den Akten gelegt worden. Im Gegenteil, Feltri äußert sich im
Fernsehen, und bei jeder politischen Auseinandersetzung ist neuerdings von
einem Opfer der »Methode Boffo« die Rede. So sieht es jedenfalls ein Teil der
Linken. Und Boffo selbst? Der ehemalige Chefredakteur des Avvenire hat noch immer keinen Job. Er ist zutiefst verbittert, auch in seinem kleinen
Haus in Onè kommt er nicht darüber hinweg. Ihm ist aber klar, dass er eine
Entscheidung treffen und Kardinal Bagnasco von den zahllosen Interviewanfragen
berichten muss, die ihn erreichen. Sie kommen unter anderem von so
einflussreichen Journalisten wie Ezio Mauro, dem Chefredakteur der Tageszeitung La Repubblica . Alle bedrängen Boffo, endlich die
Wahrheit zu sagen und die Geschehnisse aufzuklären, einschließlich der
»Verbindung Bertone–Vian«, die, sollte sie sich bestätigen, für großes Aufsehen
sorgen würde.
    Der Brief an Bagnasco ist ein schonungslos offenes Dokument, das die
Situation in allen Details festhält und zugleich die drohenden Gefahren
aufzeigt. Immerhin spricht Boffo davon, sich »auf Knien« an den Kardinal zu
wenden:
     
    Eminenz,
    ich wünschte,
vor Ihnen zu stehen, sodass Sie mich in meiner ganzen Betrübnis sehen könnten.
    Betrübnis vor
allem angesichts der Tatsache, Sie behelligen zu müssen, wo ich doch weiß, mit
welchen Sorgen Sie sich täglich plagen müssen. Gott weiß, wie sehr ich mir
wünschte, die Unannehmlichkeiten, in die ich geraten bin, selbst aus der Welt
schaffen zu können.
    Betrübt bin ich
überdies, weil die mich und uns betreffende Angelegenheit nun wieder so viel
Aufmerksamkeit erregt. Ich füge den Artikel von Marco Travaglio bei, der auf
der Titelseite der heutigen Ausgabe von Il Fatto erschienen
ist. Damit erreicht die subtile Verfolgungsjagd der letzten Tage ihren
Höhepunkt.
    Ich weiß nicht,
ob Ihnen bewusst ist, um wen es sich bei Travaglio handelt. Um es deutlich zu
sagen: Er ist der schärfste, unerbittlichste, prominenteste Gegner Berlusconis.
Mehr noch als [der Fernsehjournalist Michele] Santoro. Er ist sein »Feind«
schlechthin unter den Journalisten. Er [Travaglio] wird die Fernsehsendung neulich
mitverfolgt haben, bei der Feltri seine Zirkusnummern vorführte. Er hat
bemerkt, wie vorsichtig sich Feltri nach seinem Rückzug verhielt, er hat die
Anschuldigungen gegen die Bischöfe gehört, er hat gehört, dass Feltri davon
ausgeht, dass ich weder straf- noch zivilrechtlich einschreiten werde, und da
ist ihm schließlich der Kragen geplatzt: Wie könne es sein, dass Boffo noch
immer schweigt? Was verheimlicht er, oder wovor hat er Angst? Weshalb haben ihn
seine alten Arbeitgeber (so seine Wahrnehmung) im Stich gelassen? Ist

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