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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
Vom Netzwerk:
allzu viele Feinde gemacht hat. Abstriche
bei Geschäften und Ausgaben bedrohen etablierte Gleichgewichte und Privilegien.
Außerdem ist Viganò davon überzeugt, dass sich diese Feinde, die Geschäfte und
Vorteile verlieren, auf eine Revanche verständigt und nach potenter Protektion
umgeschaut haben. An erster Stelle bei Bertone, der in den letzten Jahren
Kardinäle und andere Prälaten seines Vertrauens in die Führungpositionen
zahlreicher wichtiger Behörden im Vatikan berufen und sich so ein
einflussreiches Netzwerk geschaffen hat.
    Der dritte Grund ist ein Artikel, der wenige Tage vor dem Treffen
anonym im Il Giornale erschien und der unwahre
Behauptungen und Unterstellungen enthält. [2] Er ist wie der ins Wasser
geworfene Stein, der immer weitere Kreise zieht. Er kündigt einen nahenden
Sturm an. Der nicht genannte Verfasser stellt Viganò ins Abseits, wirft ihm
eine »sodanianische Gesinnung« (nach dem Ex-Staatssekretär Angelo Sodano) und
eine Strategie vor, die »von den meisten als feindlich gegenüber den von
Benedikt XVI. eingeleiteten Veränderungen gesehen
werden«.
    Dass die Wirklichkeit völlig anders aussieht, ficht den anonymen
Schreiber nicht an: Tatsächlich war es der Papst, der diesen sehr korrekten
Erzbischof im Governatorat haben wollte. Schwarz auf weiß wird Anklage erhoben:
»In diesen Krisenzeiten«, so der Artikel weiter, »ist es Viganò nicht gelungen,
den staatlichen Finanzen Flügel zu verleihen. Vor aller Augen verzögert sich
die Restaurierung von Berninis Kolonnaden, weil sich keine Financiers finden,
oder besser gesagt, weil derjenige, der sie auftreiben soll, in seiner Aufgabe
versagt. Und häufig hört man Klagen über überholte Verwaltungsmethoden im
Geiste einer kleinen Provinzpfarrei.« Die unleugbare Wahrheit sieht dagegen so
aus, dass Viganò Kardinal Giovanni Lajolo, den Präsidenten des Governatorats,
entscheidend darin unterstützt hat, in wenigen Monaten die Bilanzen des
Vatikans aus tiefroten in die schwarzen Zahlen zu bringen. Der Schluss des
Artikels liest sich wie ein Verbannungsurteil in Abwesenheit: »Es ist bereits
eine neue Figur im Gespräch, die die Rolle des Sekretärs des Governatorats
übernehmen soll, wobei der gegenwärtige in einen eher notariellen und nicht
operativen Aufgabenbereich außerhalb der römischen Kurie versetzt werden soll,
falls er nicht per Gnadenakt an die Spitze der Präfektur für die
wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls gesetzt wird.« Diese Vorhersage
deckt sich mit Gerüchten und Indiskretionen, von denen Viganò Kenntnis erlangt
hat, wonach er schon »abgesetzt« worden und für andere Aufgaben vorgesehen sei.
    So betritt der Erzbischof am 22. März 2011
den Apostolischen Palast, geht die Treppen zur Terza Loggia nach oben, gelangt
ins Vorzimmer und tritt nach der üblichen Wartezeit schließlich dem
Staatssekretär entgegen. Die Begegnung dauert wenige Minuten und versetzt den
Erzbischof in eine Art Schockstarre. Bertone teilt ihm mit, dass er schon drei
Jahre früher aus seinem Amt als Generalsekretär scheiden müsse. Warum? Der
Kardinal handelt die Sache mit wenigen Worten ab. Der Grund klingt lächerlich:
Er soll für Spannungen in der Behörde verantwortlich sein. Diese Begründung ist
allerdings fadenscheinig: Wenn im Vatikan alle, die für Spannungen gesorgt
haben, zurücktreten müssten, wäre das Personal stark dezimiert. Bertone hat
alles gesagt. Viganò zieht Papiere hervor, präsentiert Bertone die
Haushaltspläne für das neue Jahr und zeigt ihm voller Stolz, dass sein strenger
Konsolidierungskurs Früchte getragen hat: Dank einer Sanierung ohne Rücksichten
weisen die Konten neuerdings Überschüsse aus. Bertone lässt sich nicht
beeindrucken und verabschiedet ihn.
    Viganò wird klar, dass sein Traum, Kardinal zu werden und den Posten
des Präsidenten Lajolo einzunehmen, nun ausgeträumt ist. Der Abschied fällt
frostig aus. Beide Männer wissen, dass ihr Konflikt erst am Anfang steht. Und
einige Monate später wird er in allen Zeitungen auftauchen.
    Nach der Begegnung mit Bertone hätte sich Viganò nicht vorstellen
können, dass er in Kürze die Personen ausmachen wird, die er später als
Protagonisten einer Verschwörung gegen ihn bezeichnet. Er empfindet Zorn und
fühlt sich gedemütigt. Ihm bleibt nicht nur die Anerkennung für seine
Leistungen versagt, er wird auch noch vorzeitig »entlassen« und muss auf das
Kardinalsbirett verzichten, das ihm Bertone versprochen hatte, auch wenn

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