Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
die APSA um weitere 85 000 Euro betrogen hat (wie mir
Monsignor Domenico Calcagno versicherte).
Ausdrucke und
Dokumente in meinem Besitz belegen solche Behauptungen sowie die Tatsache, dass
Nicolini im Besitz einer Kreditkarte ist, mit der er zulasten der genannten SRI
Group bis zu 2500 Euro im Monat abheben kann. [5]
Über Dottor X
zu reden ist für mich noch delikater, weil er in den Medien als eine Person
dargestellt wird, die Eurer Eminenz besonders nahestehe. Dennoch kann ich nicht
umhin zu bezeugen, dass er sich nach dem, was mir persönlich in meiner
Eigenschaft als Delegat für die Päpstlichen Vertretungen zur Kenntnis gelangt
ist, als Verleumder (in dem mir speziell bekannten Fall eines Priesters)
herausgestellt hat und dass er selbst homosexuell ist. Seine Neigung
bestätigten mir Prälaten der Kurie und des diplomatischen Dienstes. Zu dem
schwerwiegenden Vorwurf, den ich hier gegen Dottor X erhebe, kann ich Namen von
Personen nennen, denen diese Tatsache bekannt ist, unter anderem von Bischöfen
und Priestern. [6]
Der »Verschwörer« Simeon: Schützling Bertones, Geronzis und
Bisignanis
Der eigentliche Drahtzieher in der Affäre soll Marco
Simeon gewesen sein, der dem Schreiben nach Il Giornale die inoffiziellen Mitteilungen zugespielt habe, aber vor allem seit 2002
ein besonderer Schützling und Liebling Bertones ist. Der 33-jährige Sohn eines
Tankwarts aus Sanremo geht im Vatikan ein und aus.
Simeon beginnt seine fulminante Laufbahn mit einem
Universitätsabschluss in Jura in seiner ligurischen Heimatstadt, in der er
einen frühen Verbündeten, den Bischof Giacomo Barabino, kennenlernt. Der junge
Mann zeichnet sich durch Spendensammeln für die Aktivitäten der Gemeinde, der
Diözese und der ganzen Kirche aus. Bei der Förderung öffentlicher Initiativen,
auch spektakulärer, zeigt er ganz besondere Gaben. So gelingt es ihm mit kaum
mehr als 20 Jahren, Giulio Andreotti in seine Heimatstadt zu holen. Nicht zu vergessen
seine Begegnung mit dem neu ernannten Kardinal Mauro Piacenza, der ihm dann das
Generalsekretariat der Stiftung anvertraut, die die Päpstliche Kommission für
die Kulturgüter der Kirche unterstützt. Ein eingehenderes Verständnis dieser
Figur vermittelt der Anfang eines Porträts, das in dem Buch La
colata gezeichnet wird:
Die Chance
seines Lebens kommt 2000, als es [Simeon] über Freundschaften in Sanremo
gelingt, an einem Treffen mit Kardinal Angelo Sodano teilzunehmen, dem
Staatssekretär Papst Johannes Pauls II. Er verehrt dem Purpurträger eine
Flasche des kostbaren Olivenöls aus Taggia, das dieser besonders gern mag. »Wir
waren zu zehnt in diesem Saal und fühlten uns alle eingeschüchtert«, wird er
Freunden später erzählen. »Ich ziehe meinen Fotoapparat heraus und frage ihn:
›Eminenz, darf ich ein Foto machen?‹ Die Sekretäre blicken mich erschreckt an.
Aber er willigt lächelnd ein, worauf wir das Foto machen.« Von da an ist
Simeons Aufstieg unaufhaltsam. 2005 beruft ihn Kardinal Bertone in den
Verwaltungsrat des Ospedale Galliera in Genua und ernennt ihn zugleich zum
Vorstandsvorsitzenden des Magistrato di Misericordia [einer traditionsreichen,
über 592 Jahre alten Genueser Stiftung]. Ein Jahr später zieht er in den
Stiftungsrat der Fondazione Carige ein. [7]
Bagnasco, der neue Erzbischof von Genua, nimmt an den
abendlichen Gastmählern der Stiftung Magistrato di Misericordia zum
Spendensammeln teil, hütet sich aber nach Ablauf von Simeons Mandat 2010
vor einer Verlängerung. Stattdessen wählt er den Notar Piermaurizio Priori zum
Nachfolger, der dann kein Blatt vor dem Mund nimmt: »Wegen der vorigen Leitung
musste sich die Stiftung für die Abendessen, die ›Kardinals-Dinner‹,
verschulden […]. Ich habe hohe Schulden beglichen. Viele, von denen große
Summen erwartet wurden, hielten sich mit ihrer Spendenbereitschaft zurück. […]
In der Stiftung ist das jetzt gegenüber der Vergangenheit zumindest ein
Einschnitt bei den Ausgaben und im pompösen Erscheinungsbild.« [8] Aber
das kümmert den jungen Mann nicht weiter. Er ist unternehmungslustig. Wenn sich
eine Tür schließt, öffnen sich 100 neue. Der nächste erfolgreiche Schritt ist die
Beziehung zu dem Bankier Cesare Geronzi, der ihn zunächst als Verantwortlichen
für die Lobbyarbeit in den Bankkonzern Capitalia und später in das Institut
Mediobanca holt – und so für Spannungen und Reibungen sorgt. Bei Capitalia ist
Simeon vielerorts ein rotes Tuch, angefangen bei Matteo
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