Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
scheinbar unzusammenhängende Vorgänge und Abläufe, die er dann zum
Gesamtbild einer Verschwörung gegen ihn zusammenfügt, an der einflussreiche
Personen inner- und außerhalb des Vatikans beteiligt seien. Seine Darstellung
ist so ausführlich, und sie enthält vor allem so schwerwiegende Behauptungen,
dass sie ungläubiges Staunen auslöst. Aber auch wenn man seinen Vorwürfen nur
schwer Glauben schenken kann, so steht doch fest, dass Viganò trotz seiner
Briefe im Anschluss eine heikle und strategisch wichtige Aufgabe übertragen
bekam – die des vatikanischen Botschafters in den USA –, die als ein sicheres Zeichen dafür gesehen werden muss, dass er noch immer
vollständiges und bedingungsloses Vertrauen genoss. Hätte Viganò Gespenster
gesehen und Laien und Priester zu Unrecht beschuldigt, wäre er mit Konsequenzen
belegt, ins Abseits gestellt und unschädlich gemacht worden. Dass ihm ein
solches Amt übertragen wurde, ist eigentlich nur dann nachvollziehbar, wenn man
diese Mission – vielleicht boshaft – als eine Art »goldenes Exil« für einen
Prälaten auffasst, der zu viel weiß und zu viel mitbekommen hat.
Vertrauenswürdige
Personen haben […] mir und Seiner Exzellenz Monsignor Corbellini, dem
Vizegeneralsekretär des Governatorats, Beweise und Zeugenaussagen zu folgenden
Fakten vorgelegt. Mit dem Herannahen des besagten personellen Wechsels im
Governatorat erschienen im Zuge der Strategie, mit der ich in den Augen von
Eurer Eminenz zerstört werden sollte, auch einige Artikel im Il Giornale, die verleumderische Urteile und boshafte Unterstellungen
gegen mich enthalten. Schon im letzten März haben unabhängige und allesamt hoch
qualifizierte Quellen – Dottor Giani [Domenico, der Leiter der Gendarmerie],
Professor Gotti Tedeschi, Professor Vian und Dottor Andrea Tornielli, der
damalige Vatikanexperte von Il Giornale – klar eine enge Verbindung zwischen der
Veröffentlichung der besagten Artikel und Dottor Marco Simeon ausgemacht,
zumindest als Übermittler informeller Mitteilungen aus dem Inneren des
Vatikans. Als Bestätigung, aber vor allem als Ergänzung zu dieser Information
erhielten Monsignor Corbellini und ich das mündliche und schriftliche Zeugnis
Egidio Maggionis, der gut in der Medienwelt eingeführt und in der Kurie gut
bekannt ist und geschätzt wird, unter anderem von Dottor Gasbarri [Alberto
Gasbarri, Verwaltungsdirektor von Radio Vatikan], von Bischof Corbellini und
von Roberto Zagnoli, dem ehemaligen Verantwortlichen für die
ethnologisch-missionarische Abteilung der Vatikanischen Museen. Wie Maggioni
aussagte, ist der Urheber der lancierten Mitteilungen aus dem Vatikan Paolo
Nicolini, der Bevollmächtigte für die administrativ-wirtschaftlichen Bereiche
der Vatikanischen Museen. Maggionis Aussage ist insofern von entscheidender
Bedeutung, als er die betreffende Information direkt vom Chefredakteur des Il
Giornale erhalten hat, von
Signor Alessandro Sallusti, mit dem Maggioni seit Langem eine enge Freundschaft
unterhält.
Die
Verstrickung Paolo Nicolinis, die insofern besonders beklagenswert ist, als er
Priester und Mitarbeiter der Vatikanischen Museen ist, wird bestätigt durch ein
Gespräch, das Nicolini am 31. März dieses Jahres während eines
Mittagessens mit Dottor Sabatino Napolitano führte, dem Leiter der
Wirtschaftsdienste des Governatorats. Unter Fußballfans vertraute Nicolini Napolitano
an, dass man in Bälde neben dem Sieg von Inter Mailand bei der Meisterschaft
einen sehr viel wichtigeren feiern werde, nämlich meine Entlassung aus dem
Governatorat. Napolitano vertraute diese erstaunliche Prahlerei seinerseits
einem zuverlässigen Mitarbeiter an, der an dem Essen ebenfalls teilnahm.
Verschlimmert wurde diese durch Nicolinis anmaßende Behauptung, wonach gewiss
sei, dass er meinen Posten als Generalsekretär einnehmen werde.
Was Nicolini
betrifft, kamen im Hinblick auf seine Amtsführung besonders verwerfliche
Praktiken ans Licht, seit seiner Zeit an der Päpstlichen Lateranuniversität, wo
nach Aussage von Monsignor Rino Fisichella Folgendes zu seinen Lasten
aufgedeckt wurde: gefälschte Rechnungen und ein Fehlbetrag von mindestens 70 000 Euro. Erwiesen ist ebenso eine
Gewinnbeteiligung desselben bei der Gesellschaft SRI Group von Giulio Galazzi,
einem Unternehmen, das dem Governatorat gegenwärtig mindestens 2,2 Millionen
Euro schuldet und das zuvor bereits den Osservatore Romano (dies bestätige mir Don Elio Torreggiani) um 97 000 Euro und
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