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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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Die Sache ausgerechnet in dem Jahr an die große Glocke zu hängen, in
dem die Einheit Italiens gefeiert wird und man sich bemüht, die guten
Beziehungen zu unterstreichen und zu betonen, dass die Wunden ›verheilt‹ sind,
könnte ein gegenteiliges Signal auslösen, vor allem, wenn man es öffentlich
herausstellt […]« Bertone merkt, dass er aufpassen muss, damit ihm die
Angelegenheit nicht entgleitet. Es besteht die Gefahr von Angriffen und
politischer Instrumentalisierung, was wiederum sein komplexes Verhältnis zum
Papst beeinträchtigen könnte. »Der Kardinalstaatssekretär«, vermerkt der
Innenminister des Vatikans, Filoni, handschriftlich, »wird mit dem Fürsten
darüber sprechen. Er wird dann Bescheid geben. Jedenfalls ist es besser,
Aufsehen zu vermeiden.« »Die Sache ist eingehender zu prüfen«, sorgt sich der Staatssekretär,
»um jede Zweideutigkeit auszuräumen.«
    Im Staatssekretariat hört man dann, zumindest in den unteren Rängen,
nichts mehr von der Sache, bis im September die Einladung zur Feier des
Gendarmeriekorps eintrifft. Im Programm taucht die Ȇbergabe der historischen
Festungsfahne« auf, »die S. E. der Fürst Don Sforza Ruspoli dem Heiligen Stuhl
übergeben wird«. Mit Aufmärschen und militärischen Ehren, genau wie der Fürst
es verlangt hatte. Bertones Ansicht wird eingeholt, und am 17. September, kurz bevor
es so weit ist, wird beschlossen, »die Sache möglichst niedrig zu hängen und
nur die einfache Fahnenübergabe vorzusehen, ohne Präsentation und
Ehrenbezeigung«. [9] Doch zwei Tage später interveniert Kardinal
Lajolo, »der die Verantwortung übernimmt, und daher wird die Fahne
präsentiert!«
    Giani hat gewonnen. Er macht aus der Feier für seine 150 Gendarmen ein wichtiges Ereignis für den Vatikan. Mehr noch, der Kommandant
möchte sogar einen Zug Schweizergardisten unter dem Kommando eines seiner
Männer aufmarschieren lassen. Eine Vorstellung, die den Vizekommandanten der
Schweizergarde, Christoph Graf, zur Weißglut bringt. Der Offizier schreibt
direkt an Erzbischof Angelo Becciu, der seit Mai die Stelle Filonis als
Substitut der Sektion für die Allgemeinen Angelegenheiten übernommen hat. Der
Ton ist direkt, gemildert durch Ironie, aber die historische Schweizergarde
unter das Kommando eines Gendarmen zu stellen, daran ist überhaupt nicht zu
denken. [10]
    Abgesehen von den Eifersüchteleien und den internen Konflikten löst
die Veranstaltung keine Kritik aus. Im Gegenteil, es setzt sich die gemeinsame
Lesart durch, wonach man betonen möchte, dass Zwistigkeiten und Wunden, die die
»Römische Frage« hinterlassen hat, der Vergangenheit angehören. Die Botschaft
ist klar: Kirche und italienischer Staat agieren in einer Einmütigkeit, die man
so noch nicht gesehen hat. Bestätigt wird dies durch das Erscheinen zahlreicher
Minister und Staatssekretäre der Regierung Berlusconi: allen voran Gianni
Letta, Außenminister Franco Frattini, Umweltministerin Stefania Prestigiacomo,
der Parteivorsitzende der PdL Angelino Alfano und der Chef der UDC Pierferdinando Casini. Alle finden sich auf
der Tribüne der Ehrengäste ein. Schön aufgereiht zwischen Prälaten und
Kardinälen. Alles lächelt, und Bertone ist zufrieden.

Tarcisio Bertone: Ehrgeiz an der Macht
    »Heiligkeit, im Zentrum der Kirche regiert das Durcheinander«
    Zahlreiche Skandale erschütterten die Kirche weltweit und
stellten den Heiligen Stuhl auf eine harte Probe. Den Anfang machte die jahrelang
verharmloste Pädophilie. Im Jahr 2002, noch bevor dieser Skandal weltweit Schlagzeilen
machte, tat Bertone, damals Sekretär der Glaubenskongregation, das Problem als
eine Krankheit ab, von der »nur eine sehr kleine Minderheit« von Priestern
betroffen sei. Es folgten die Vorwürfe sexuellen und psychischen Missbrauchs
gegen den Gründer der Legionäre Christi, Marcial Maciel, den Benedikt XVI. im Jahr 2010 als »falschen
Propheten« bezeichnete: »Da ist […] ein Leben, das […] jenseits des Moralischen
liegt, ein abenteuerliches, vertanes, verdrehtes Leben«. [1] Hinzu kam
das ungelöste Problem der Lefebvrianer und des Schismas der Traditionalisten
nach der Bischofsweihe von vier Priestern durch Lefebvre im Jahr 1988;
die strafrechtlichen Ermittlungen wegen Geldwäsche gegen die Papstbank IOR; die Beziehungen der Clique um den
Gentiluomo di Sua Santità (Edelmann Seiner Heiligkeit) Angelo Balducci zu
geistlichen Würdenträgern, die Geschäfte tätigten und Bauaufträge vergaben;
Untersuchungen im

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