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Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)

Titel: Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gianluigi Nuzzi
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2007
war er Substitut des Staatssekretariats und stand damit an der Spitze des
Büros, das für die Ansprachen Johannes Pauls II.
zuständig war. Woityła ernannte ihn zum Vizecamerlengo der Apostolischen
Kammer, Benedikt XVI. zum Propatron des Souveränen
Malteserordens. Sardi beschließt, das Missbehagen kundzutun, indem er sich
direkt an den Papst wendet. Der Brief, den zu lesen wir Gelegenheit hatten, ist
auf den 5. Februar
2009
datiert und gibt Bertone die Schuld an der Desorganisation in der römischen
Kurie. Es ist der erste konkrete Vorwurf gegen den Staatssekretär, Ausdruck der
Kritik einer quer durch alle Abteilungen des Vatikans reichenden Gruppe. [5] Im ersten Abschnitt bezichtigt Sardi den Staatssekretär der Oberflächlichkeit
und schwerer Sachfehler bei der Mithilfe zur Abfassung der Enzyklika. Bertone
sei durch seine zahlreichen Reisen zu sehr abgelenkt:
     
    Heiliger Vater,
    ich habe die
Mitteilung gelesen, die Eure Heiligkeit mir bezüglich der Enzyklika hat
zukommen lassen. Ich verhehle Ihnen meine Sorge nicht. Und dies ist der Grund
dafür: Der Text, den der Kardinalstaatssekretär dem Wirtschaftsexperten [6] übermittelt hat, war nicht die
endgültige Fassung. Ohne mein Wissen hat der Substitut [Fernando Filoni] dem
Kardinal einen Text übergeben, an dem noch gearbeitet wurde. Ohne mein Wissen
hat der Kardinal diesen Text an den Experten weitergegeben, der somit an einem
Dokument arbeitete, das in weiten Teilen überholt war. Die Sache ist ernst:
Denn die endgültige Fassung enthält nicht wenige Korrekturen, die die beiden
Offiziale der Zweiten Sektion (wie ich in meinem vorigen Brief an Eure
Heiligkeit dargelegt habe) hinsichtlich der Dokumente für notwendig erachteten,
welche von internationalen Gremien (UNO, Internationale Arbeitsorganisation,
Internationale Handelsorganisation etc.) erarbeitet wurden. Jetzt steht seit
einem Monat die Arbeit still. Dafür bewegt sich der Kardinalstaatssekretär. Er
ist nicht nur in Italien unterwegs, vor wenigen Tagen war er in Mexiko, zurzeit
ist er in Spanien, und es sind bereits Vorbereitungen für seinen Polenbesuch im
Gange. Ich hoffe, dass der Zeitdruck, die Enzyklika zum Abschluss zu bringen,
nicht zu groß wird, wenn mit den Übersetzungen begonnen wird, ein an sich
komplizierter und anspruchsvoller Vorgang.
     
    Bertone ist der erste Staatssekretär, der häufig ins
Ausland reist und damit eine Funktion übernimmt, die den Diplomaten zufolge
allein dem Papst zukommt. Sardi ergreift die Gelegenheit, um seine Kritik auf
das gesamte Management des neuen Staatssekretärs auszuweiten:
     
    Eine letzte
betrübliche Anmerkung: Seit einiger Zeit werden von verschiedenen Seiten in der
Kirche, auch auf Initiative von Personen, die ihr in großer Loyalität verbunden
sind, kritische Stimmen über die mangelnde Koordination und das Durcheinander
laut, das in ihrem Zentrum regiert. Das berührt mich schmerzlich, aber ich muss
aus meinem bescheidenen Blickwinkel zur Kenntnis nehmen, dass diese Kritik
nicht unbegründet ist: Ergänzend zu dem, was ich oben gesagt habe, möchte ich
betonen, dass ich bei der Abfassung des Dekrets zu den Lefebvre-Bischöfen in
keiner Weise konsultiert worden bin (einige nicht ganz unbrauchbare Vorschläge
hätte ich machen können); darüber hinaus hat man mir gestern den Text, den Eure
Heiligkeit S.E. dem Substituten zum selben Thema übergeben hat, erst wenige
Minuten vor Ablauf der Frist zugestellt, als Monsignor Gänswein bereits am
Telefon lautstark die Rückgabe einforderte. Ich versuche, auch diese (ehrlich
gesagt zahlreichen) Vorkommnisse als gütliches Wirken der Vorsehung zu
betrachten, die mich auf einen Abschied vom Sekretariat ohne Bedauern
vorbereiten möchte.
    Ich versichere
Eurer Heiligkeit meine vollständige Unterwerfung, Ihr ergebenster † Paolo
Sardi.
     
    Ratzinger liest den Brief aufmerksam. Er tauscht sich mit
Georg Gänswein aus, aber im Apostolischen Palast setzt sich der Eindruck durch,
dass der Kardinal nur seinem aufgestauten Ärger Luft gemacht habe. In
Wirklichkeit treffen auch von einigen nichtitalienischen Kardinälen Beschwerden
über die Desorganisation ein, doch Ratzinger nimmt Sardis Anschuldigungen hin
und schweigt. Erst später wird er Bertone bitten, in der Kurie mehr Präsenz zu
zeigen. Sonst passiert nichts, auch deshalb, weil Sardi gegenüber Bertone wenig
Gewicht in die Waagschale zu werfen hat. Der Fall wird ad acta gelegt, bleibt
jedoch dem Papst im Gedächtnis.
    In den folgenden

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