Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Tettamanzi gesprochen hast.
Danach werde auch ich die Initiative ergreifen […], danke und gute Arbeit,
viele Grüße auch an den Heiligen Vater, ergebenst † Angelo Kard. Scola.
Der ehemalige Patriarch von Venedig schickt dem
Mitarbeiter des Papstes zur Kenntnisnahme ein Schreiben, das am Ende
ausschlaggebend dafür gewesen sein dürfte, die San-Raffaele-Klinik und damit
den Plan fallen zu lassen, sie unter vatikanische Kontrolle zu bringen. Auch in
diesem Fall handelt es sich um ein geheimes Dokument aus den Gemächern des
Vatikans. Es trägt den Titel »Memorandum zur Stiftung San Raffaele del Monte
Tabor« und zeigt, dass die Klinik, die sich im Bereich der biotechnologischen
Forschung und der künstlichen Befruchtung engagiert, Positionen vertritt, die
mit der kirchlichen Lehrmeinung unvereinbar sind:
In der
komplizierten Frage der San-Raffaele-Klinik ist eine direkte Beteiligung des IOR
oder die Beteiligung von Personen, die mit dem IOR in Verbindung gebracht
werden können, hoch problematisch. […] Eine unüberwindliche Schwierigkeit ist
die Praxis einiger biotechnologischer Forschungsinstitute, die der Klinik
angegliedert sind, sowie die von vielen Professoren der Universität Vita-Salute
San Raffaele vertretenen Ansichten. Beides widerspricht ausdrücklich den
fundamentalen Lehrsätzen der Kirche im Bereich der Bioethik. Abgesehen von
einer gewissen Autonomie ist die Universität Vita-Salute – auch rechtlich – mit
dem Klinikkomplex San Raffaele verbunden. Nicht wenige renommierte Professoren,
deren Stimme in der Öffentlichkeit großes Gewicht hat, haben bereits verlauten
lassen, »keine Einschränkung ihrer Forschungsfreiheit« hinzunehmen. […] Im
Bereich der biotechnologischen Forschung ist die Arbeit mit embryonalen
Stammzellen gängige Praxis. Auch bei der künstlichen Befruchtung werden die vom
kirchlichen Lehramt geforderten ethischen Kriterien nicht respektiert.
Es muss betont
werden, dass nicht nur die Leiter dieser Einrichtungen die Praxis der
wissenschaftlichen Forschung in dieser Weise verstehen. Man sollte auch
bedenken, dass die Forscher im Mittelbau ihre berufliche Laufbahn an dieser
Praxis ausrichten. Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass ein neuer
Eigentümer durch vertragliche Regelungen hier einen Kurswechsel bewirken
könnte. Diese Möglichkeit ist praktisch ausgeschlossen. Im Gegenteil, ein
solcher Versuch würde einen Konflikt heraufbeschwören, der in den Massenmedien
große Beachtung finden und der Kirche nur schaden würde.
Die Forschungspraktiken der San-Raffaele-Klinik
widersprechen also der kirchlichen Lehrmeinung. Doch auch in wirtschaftlicher
Hinsicht liegt der Dissens klar auf der Hand. In einer Zeit der
wirtschaftlichen Krise 200 Millionen Euro in eine finanziell schwer
angeschlagene Klinik zu investieren vermittelt das Bild einer Kirche, der es
vorrangig um ihre geschäftlichen Interessen geht:
In
seelsorgerischer Hinsicht hat die direkte Beteiligung des IOR oder die
Beteiligung von Personen, die mit dem IOR in Verbindung gebracht werden können,
bereits zu strengen Urteilen über die Verwendung von Vermögenswerten des
Heiligen Stuhls und der Kirche allgemein geführt, insbesondere in der
derzeitigen Wirtschafts- und Finanzkrise. Die Medien vermitteln unablässig das
Bild einer reichen Kirche, die ihren geschäftlichen Interessen nachgeht.
Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass eine Intervention des IOR, einer
Einrichtung des Heiligen Stuhls, in eine so dezidiert italienische
Angelegenheit auf internationaler Ebene nur Vorbehalte wecken kann.
Die katholischen Kreise Mailands signalisieren also
deutlich ihr Unbehagen gegenüber dem Projekt eines Klinikzusammenschlusses, wie
es dem Staatssekretariat vorschwebt. Deren Argumente wurden bereits im
September dem Heiligen Vater wie auch Staatssekretär Bertone dargelegt, der
versuchte, die Gemüter zu beruhigen, indem er versicherte, das IOR werde so bald wie möglich aus dem Abenteuer
aussteigen.
Der
Staatssekretär selbst hat sich in einer schriftlichen Note folgendermaßen
geäußert: »Voraussichtlich nach Ablauf der ersten sechs Monate des Verfahrens
(März 2012) oder spätestens im Laufe der darauffolgenden sechs Monate (Sommer 2012)
werden das IOR oder Personen, die mit dem IOR in Verbindung gebracht werden
können, durch andere wirtschaftliche Akteure ersetzt.« Das wurde auch Dottor
Vittorio Malacalza und Dottor Giuseppe Profiti in einer gemeinsamen
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