Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
Anhörung
vorgetragen, die der Unternehmer Malacalza gewünscht hatte. Bei dieser
Gelegenheit erklärte Malacalza, notfalls würde er die Anteile des IOR
übernehmen können. Dieselbe Sorge wurde bei einer von ihm gewünschten Anhörung
auch Prof. Gotti Tedeschi mitgeteilt. Über mögliche direkte oder indirekte
Verknüpfungen des Schicksals der San-Raffaele-Klinik mit dem Problem Gemelli,
Katholische Universität und Toniolo hinaus erscheint es zum jetzigen Zeitpunkt
völlig unklar, was hinter dieser Initiative des IOR steckt und wer der
eigentliche Urheber dieses Plans ist. Aus allen diesen Gründen erscheint es
geboten, das von Bertone geäußerte Bemühen, »das IOR oder Personen, die mit dem
IOR in Verbindung gebracht werden können, durch andere wirtschaftliche Akteure
zu ersetzen«, so schnell wie möglich zu verwirklichen, umso mehr, als das
Ansehen Don Verzés zunehmend Schaden nimmt und es immer schwieriger wird, seine
persönliche Verantwortung von der der Kirche zu trennen.
San Raffaele: Auftritt Corrado Passera
Bleiben oder abtreten? Auch Letzteres ist nicht ohne
Risiko. So gerät der Heilige Vater von allen Seiten unter Druck. Gotti Tedeschi
schickt Gänswein mehrere Memoranden, um ihn über die komplizierte Situation auf
den neuesten Stand zu bringen. Am 15. September legt der IOR-Präsident
dem Papst die Bedenken der Banken über einen Ausstieg des Vatikans dar. Es geht
um Hunderte Millionen Euro.
Besonders die größte Bank Italiens, Intesa Sanpaolo, die
Kreditforderungen in Höhe von 120 Millionen Euro erhebt, tritt in Aktion. Gotti
Tedeschi trifft sich mit dem Vorstandsvorsitzenden Corrado Passera, der zwei
Monate später zum Stellvertreter des italienischen Ministerpräsidenten Mario
Monti ernannt werden wird, und berichtet umgehend in alarmiertem Ton dem Papst
auf dem Weg über dessen Sekretär:
Memorandum, persönlich und
vertraulich. Projekt San
Raffaele – Stand vom 15. November 2011. Im Zusammenhang mit
der Entwicklung des Projekts San Raffaele möchte ich auf ein neues und noch
sehr viel komplexeres Problem für das Ansehen des Heiligen Stuhls hinweisen.
Was mir
Kopfzerbrechen bereitet, ist der »Verdacht«
eines potenziellen Rückzugs des Heiligen Stuhls aus dem Kreis der Aktionäre von San Raffaele. Dieser
Verdacht erhärtet sich bei mehreren indirekt an dem Projekt beteiligten Seiten.
Die Vermutung eines Ausstiegs löst Irritationen und Sorge bei den an diesem
Projekt Beteiligten aus (Ärzte, Dozenten, Banken), die anfangen, Erklärungen zu
verlangen (bisher nur diskret und informell). Die offenkundigste Sorge ist,
dass der Heilige Stuhl (aufgrund »moralischer« oder anderer Fragen) es dem
privaten Gesellschafter erlaubt oder erleichtert, faktisch die Kontrolle
auszuüben. Dieser Verdacht
könnte durch verschiedene Umstände genährt worden sein. Ich vermute, es gibt
hier einen Zusammenhang mit der Entlassung der beiden Stiftungsbeiräte (Prof.
Clementi und Pini) sowie mit Besuchen und Diskussionen eines Vertreters des
Heiligen Stuhls (Profiti) und des privaten Gesellschafters (Malacalza) mit
mehreren Gesprächspartnern, unter ihnen der Erzbischof von Mailand und der
Vorstandsvorsitzende der Banca Intesa, Passera.
Nach meiner
Einschätzung (die ich aus Gesprächen mit den beiden Chefärzten und dem
Vorstandsvorsitzenden der Banca Intesa gewonnen habe) wird ein Rückzug des Heiligen Stuhls nicht gut aufgenommen
werden. Es beunruhigt mich
auch, dass dieser Einschätzung keine Aufmerksamkeit geschenkt, dass sie
unterbewertet und nicht geteilt wurde.
Wir laufen
Gefahr, als jemand dazustehen, der das Privatprojekt eine Zeit lang gedeckt und
den das Insolvenzverfahren durchführenden Organen sowie allen Beteiligten
vorgegaukelt hat, dass es de facto und in erster Linie der Heilige Stuhl ist,
der verhandelt, wodurch strategische und operative Erwartungen für die Zukunft
der San-Raffaele-Klinik geweckt wurden, die sich mit dem tatsächlich Machbaren
nicht decken.
Ich halte es
für unabdingbar, darüber nachzudenken, welche offizielle Position man im
Hinblick auf eine angemessene Transparenz einnehmen will. Meiner Ansicht nach
darf der Imageschaden nach einem Ausstieg, bei dem man Dritten die
Führungsrolle überlässt … ohne direkte Entscheidung und Kontrolle – was
leicht als mangelnde Transparenz angesehen werden könnte –, nicht
unterschätzt werden.
Scolas Stellungnahme bewirkt in diesem Spiel einen
Dominoeffekt. Gänswein wird zu einem wichtigen, festen
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