Seine Heiligkeit: Die geheimen Briefe aus dem Schreibtisch von Papst Bendedikt XVI. (German Edition)
wie in wirtschaftlicher und
religiöser Hinsicht. Die Rolle dieser Gruppe (fest angestellte Fachleute im
Dienst der Kongregation) muss zweifellos verringert werden. Aber hier ist große
Vorsicht geboten, vor allem in der derzeit kritischen Situation der weltweiten
Finanzmärkte und der wirtschaftlichen Lage der Legion. Es ist nicht nur ein
wirtschaftliches Problem, sondern auch eines der Organisation des religiösen
Lebens im Innern der Legion.
Und die Entschädigung der Opfer? Der Bericht geht mit
keinem Wort auf die Schwere der Maciel zur Last gelegten Vergehen ein. Die
»Kommission zur Annäherung« erfüllt einen anderen Auftrag: die Belastung der
vatikanischen Finanzen durch die Ansprüche der Geschädigten möglichst gering zu
halten. Der Ton ist recht optimistisch, weil der Modus Operandi allen klar ist
und von allen geteilt wird. Denen, die eine Entschädigungszahlung verlangen,
soll mit Festigkeit entgegengetreten werden:
Bei manchen
war es nicht schwer, zu einer Einigung zu kommen. Komplizierter ist der Fall
bei denen, die unter Berufung auf Recht und Gesetz gigantische Summen
verlangen, die die Legion keinesfalls aufzubringen imstande ist und die jeder
rechtlichen Grundlage entbehren. Hier nachzugeben wäre nicht nur ungerecht, es
könnte auch eine Lawine weiterer, ebenso haltloser Forderungen ausgelöst
werden. Die Kommission folgt zwei Prinzipien: dem der Gerechtigkeit und dem der
Barmherzigkeit und Solidarität mit den Opfern, die viel Leid zu ertragen
hatten. In keinem der untersuchten Fälle lassen sich jedoch juristisch begründete
Forderungen erkennen.
Als wäre das noch nicht genug, zeigt sich, dass das Ausmaß
des Skandals sehr viel größer ist, als man sich vorstellen konnte. Neben Maciel
stecken noch weitere »Ordensleute in Schwierigkeiten«. Es handelt sich um
mehrere Fälle, die nunmehr »in der Hand der Generalstaatsanwaltschaft liegen,
welche ihre Aufgabe in angemessener Weise erfüllt, auch mithilfe eines
Kirchenrechtlers aus dem Kreis der Legionäre selbst«. Zudem werden Maßnahmen
ergriffen, um Maciel nahestehende Priester ihres Amtes zu entheben. So wurde
beispielsweise Luís Garza Medina von seinem Amt als Generalvikar entbunden. [8] Doch es ist noch ein langer und steiler Weg. Das Bemühen des Krisenstabs, die
große Familie der Legionäre wieder in die Kirche und ihre Ordnung zurückzuführen,
wird nicht vor 2014
abgeschlossen sein.
Die Aufhebung der Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe
Es geht darum, Oberflächlichkeit, Pannen und
Missverständnisse zu vermeiden, die knapp ein Jahr zuvor zum Eklat geführt
hatten, als im Januar 2009 die Nachricht von der Aufhebung der
Exkommunikation der Lefebvre-Bischöfe (aus der Gemeinschaft der Piusbrüder)
durch die »paterna misericordia« (»väterliche Gnade«) des Heiligen Vaters
durchgesickert war. [9] Ein teuflischer Zufall sorgte dafür, dass die
Meldung einschlug wie eine Bombe – nicht wegen des prinzipiell
fragwürdigen Wegs diplomatischer Verhandlungen zwischen den Nachfolgern
Lefebvres und dem Heiligen Stuhl, sondern weil einer dieser Bischöfe, Richard
Williamson, kurz vor der offiziellen Bekanntgabe der Rücknahme der
Exkommunikation dem staatlichen schwedischen Fernsehen ein Interview gab, in
dem er seine Position der Leugnung des Holocaust bekräftigte. »Ich glaube«,
sagte er, »dass die historischen Beweise massiv dagegen sprechen, dass in den
Gaskammern auf Befehl Adolf Hitlers sechs Millionen Juden getötet wurden. Ich
glaube, es gab keine Gaskammern.« In einem normalen Land hätten solche
Äußerungen die Zwangseinweisung in eine psychiatrische Anstalt zur Folge, im
Vatikan sieht die Sache anders aus: Das Bemühen um Ausgleich und ein
Gleichgewicht der Kräfte gewinnt die Oberhand über den gesunden
Menschenverstand.
Tatsächlich ist das Dekret zur Aufhebung der Exkommunikation das
Ergebnis eines jahrelangen Prozesses. Seit dem 30. Juni 1988,
als die Bischöfe exkommuniziert wurden, bemühte man sich, den Bruch im Innern
der Kirche zu kitten, den Erzbischof Marcel Lefebvre selbst heraufbeschworen
hatte. Seine Priesterbruderschaft St. Pius X. steht im Zentrum des Schismas im
Jahr 1976,
als Papst Paul VI. die »suspensio a divinis« (das
Verbot gottesdienstlicher Handlungen) über den französischen Geistlichen
verhängte, weil er das Zweite Vatikanische Konzil nicht anerkannte. Aber das
weiß heute niemand mehr, und es ist auch nicht mehr besonders wichtig. Durch die
gleichzeitigen Äußerungen
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