Seine junge Geliebte
aufgetan?«
Heidmann wollte eine entsprechende Bemerkung machen, aber er schwieg, denn er wäre gegen Dr. Phistos loses Mundwerk nicht angekommen. »Das ist die Freundin eines Patienten.«
»Ach! Und nun wollen Sie sie ihm ausspannen?« Als Dr. Heidmann darauf nichts zu sagen wußte, klopfte ihm Dr. Phisto auf die Schulter. »Sie haben das Mädchen so verliebt angeschaut, daß mir angst und bange geworden ist. Aber lassen Sie mal …« Phisto nahm seine Brille von der Nase, hauchte gegen die Gläser und putzte sie. »In die Kleine würde ich mich auch noch verlieben! Gibt es etwas Neues auf der Station?« Er begleitete Heidmann zurück ins Dienstzimmer.
»Etwas Neues?« Dr. Heidmann schüttelte den Kopf. »Nein – oder doch …« Er ging zum Schreibtisch, nahm eine Krankengeschichte auf und reichte sie Dr. Phisto. »Diesen Patienten wird Dr. Bruckner morgen zusätzlich operieren.«
Dr. Phisto nahm das Krankenblatt entgegen und überflog es. »Eine Augenlidoperation. Ein Mann?« Kopfschüttelnd schaute der Anästhesist Dr. Heidmann an.
»Ja, und das junge Mädchen, das Sie eben gesehen haben, scheint seine Freundin zu sein.«
»Für die er sich verschönen lassen will. Alles klar! Wie alt ist denn der Knabe?« Dr. Phisto überflog die Eintragungen auf dem Krankenblatt. »Fünfundsechzig – nun ja!« Er legte das Krankenblatt auf den Schreibtisch zurück. »Wer in dem Alter erfolgreich lieben will, muß noch mehr leiden als ein jüngerer!« Er hob scherzhaft drohend seinen Zeigefinger. »Machen Sie nur keine Dummheiten! So alte Herren können bösartig werden, wenn man ihnen die Freundin ausspannt.«
»Ach –«, Heidmann machte eine ärgerliche Handbewegung, »ich habe doch nicht die Absicht, sie ihm auszuspannen. Ich gehe nur mit ihr heute Abend …« Er merkte, daß er sich verraten hatte.
»Ach – Sie gehen schon mit ihr aus!« Das Grinsen auf Dr. Phistos Gesicht verstärkte sich. »Na, dann wünsche ich Ihnen viel Vergnügen. Kann man sich den alten Herrn mal anschauen?«
»Ich glaube, daß Dr. Bruckner die örtliche Betäubung morgen selbst legen wird.«
»Dann will er mich also arbeitslos machen. Ist der etwa auch –«, er nickte zur Tür hin, »in dieses hübsche schwarzhaarige Mädchen verknallt?«
»Was heißt hier auch!« Dr. Heidmann wurde ärgerlich. »Ich bin in die junge Dame nicht verknallt. Ich will ja nur …«
»Ein wenig den Stellvertreter spielen, damit sie sich nicht all zu sehr langweilt. Das ist eine sehr löbliche und gute Absicht. Bleiben Sie dabei, gute Werke zu tun!« Er nickte dem Kollegen zu und verließ das Zimmer.
Dr. Heidmann wußte nicht, wie er sich verhalten sollte. Es war ihm klar, daß Dr. Phisto recht hatte. Er hatte sich Hals über Kopf in dieses hübsche Mädchen verliebt! Er konnte den Blick ihrer schwarzen Augen nicht aus seinem Gedächtnis wischen.
Er schaute auf die Karte, die sie ihm gegeben hatte. Bärbel Linke las er. Er wiederholte den Namen. Bärbel paßte irgendwie zu ihr, der Name schien für dieses schwarzhaarige Mädchen geschaffen zu sein. Es geschah nicht allzu häufig, daß ein Vorname auch wirklich zu dem Träger paßte.
Wie oft paßten Namen überhaupt nicht! Die Mutter oder der Vater hatten einen Film gesehen oder einen Roman gelesen und dann dem Kind den Namen des Helden gegeben. Er kannte viele Siegfrieds, die klein, dick und schwarzhaarig waren … Hier aber paßte einmal der Name zum Original.
»Bärbel –«, flüsterte er vor sich hin.
»Bärbel?« ertönte eine Stimme neben ihm. Er schaute hoch und blickte in das lächelnde Gesicht Dr. Bruckners, der unbemerkt dazugekommen war. »Wer ist denn das nun schon wieder?«
Heidmann errötete.
Er wußte nicht, wie er Dr. Bruckners Frage beantworten sollte. »Ach –«, er versuchte, einen Ausweg zu finden, »ein Frauenname.«
Dr. Bruckner lachte laut. »Daß es kein Männername ist, leuchtet mir ein. Sie haben sich doch nicht etwa wieder einmal verliebt?« Er hob scherzhaft drohend seinen Finger. »Sie wissen, daß sich ein Assistent niemals im Dienst verlieben darf.«
Johann Heidmann beschloß, bei der Wahrheit zu bleiben: »Bärbel –«, er hob die Karte hoch und las den Namen, »ist die junge Freundin des Mannes, den Sie morgen früh operieren werden.«
Dr. Bruckners Gesicht wurde ernst. »Machen Sie bloß keine Dummheiten. Solche älteren Herren können gefährlich werden, wenn man ihnen die Freundin ausspannt.«
»Nein, nein –«, Heidmann hob abwehrend die Hand,
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