Seine junge Geliebte
Ich habe noch nicht einmal Koffer gepackt.«
»Das geht doch schnell!«
Sie lachte. »So schnell auch wieder nicht. Aber Sie haben recht. Kofferpacken macht mir nicht viel aus. Ich bin es als Journalistin gewöhnt, aus dem Koffer zu leben.«
»Sehen Sie!« Heidmann öffnete die Tür und begleitete Bärbel auf den Flur. Vor dem Fahrstuhl blieb er stehen. »Sie haben eben festgestellt –«, er nahm seine ganze Kraft zusammen, »daß es keine große Mühe macht, den Koffer zu packen. Ich meine …« Er griff an den Knopf, der den Fahrstuhl herbeiholte, aber er drückte nicht darauf. Er hielt die Hand wie schützend darüber, als wollte er verhindern, daß sie den Fahrstuhl herbeiholte.
»Was meinen Sie?« Jetzt schaute sie ihn mit einem Blick an, den er nicht ergründen konnte. Er fühlte sich wie ein Knabe, der um etwas Unmögliches bitten will, aber nicht weiß, wie er seine Bitte formulieren soll.
»Ich meinte nur, ob –«, er zögerte, räusperte sich und blickte auf seine Schuhspitzen, »wir vielleicht heute Abend noch zusammen ausgehen könnten. Ich meine nur …« Er begann sich zu verhaspeln, hustete, fuhr sich mit der Hand über die Haare und schaute immer wieder die junge Frau an, um dann rasch seinen Blick wieder zu senken. »Herr Sartorius liegt hier. Sie haben heute Abend noch etwas Zeit, und ich habe frei. Da –«, allmählich gewann Heidmann seine Selbstsicherheit wieder, »könnten wir doch zusammen ein Glas Wein trinken gehen. Oder mögen Sie keinen Wein?«
Nun schaute der junge Arzt endlich hoch. Bärbel Linke schaute ihn mit einem Anflug von Spott an. Er konnte in ihrem Blick nicht lesen, wie sie seinen Vorschlag aufnahm. »Entschuldigen Sie, wenn ich Sie überfallen habe.« Heidmann hatte das Gefühl, daß er vielleicht ein wenig zu weit gegangen war. »Es war nur so ein Gedanke …«
»Ein guter Gedanke!« Bärbel blickte zu ihm auf. »Ich fürchte, ich werde heute Abend doch nichts mehr schreiben können. Wissen Sie denn ein nettes Lokal in Köln? Ich kenne mich hier gar nicht aus, obgleich ich schon lange hier lebe. Ich gehe selten aus. Mein Bekannter –«, ihr Blick ging in Richtung von Peter Sartorius' Zimmer, »geht nicht gern aus.«
Johann Heidmann jubelte innerlich. Er glaubte, den alten Bekannten ausgestochen zu haben. Seine Stimme zitterte, als er sagte: »Ja, ich kenne ein sehr nettes Lokal. Es hat gerade aufgemacht. Es gehört einem Maler. Haben Sie nie davon gehört: ›Axels Malkasten‹?«
»Nein. Ist es weit von hier?«
»Mitten in der Stadt! Kennen Sie den Chlodwigplatz?«
»Ja, den kenne ich. Er liegt am Ende von der Severinstraße nicht wahr? Wann wollen wir uns treffen?«
Johann Heidmann schaute auf seine Uhr. »Mein Dienst ist um neunzehn Uhr beendet. Kann ich Sie irgendwo abholen?«
Bärbel Linke überlegte, dann nickte sie. Sie griff in die Tasche und holte eine Karte hervor. »Hier wohne ich. Kommen Sie mit dem Wagen?«
Heidmann schüttelte den Kopf. »Ich habe leider keinen Wagen. Es tut mir leid …«
Sie lachte laut. »Was soll Ihnen da leid tun? Wir können mit meinem Auto fahren, wenn es Ihnen recht ist.«
»Ich glaube, es ist besser, wir nehmen einen Autobus. Das habe ich bei Dr. Bruckner gelernt. Man soll niemals das eigene Auto nehmen, wenn man die Absicht hat, auch nur einen Tropfen Alkohol zu trinken!«
»Sie haben einen strengen Lehrmeister!«
»Er ist nicht streng. Ich könnte mir keinen besseren Vorgesetzten wünschen als ihn.«
»Sie glauben, daß er Herrn Sartorius gut operieren wird!«
»Sie können sich keinen besseren …«
Bärbel Linke mußte über Dr. Heidmanns Eifer lachen. »Vielleicht sollten wir ihn mitnehmen?« fragte sie unvermittelt.
Johann Heidmann schaute sie entsetzt und stumm an.
»Oder gehen Sie lieber allein mit mir aus?«
»Selbstverständlich!« Heidmanns Stimme klang überzeugt.
»Nun gut – sagen wir um – halb acht Uhr?«
»Ich bin pünktlich bei Ihnen.« Heidmann gab Bärbel die Hand und hielt sie ein wenig länger fest, als es unbedingt notwendig gewesen wäre. Sie mußte sie ihm mit zarter Gewalt entziehen.
Heidmann drückte auf den Knopf, der den Fahrstuhl herbeiholte.
»Wer war denn der tolle Käfer? Eine neue Freundin?« Eine spöttische Stimme ertönte hinter Dr. Heidmann, als der Fahrstuhl in der Tiefe verschwunden war. Der junge Arzt fuhr herum und blickte in das grinsende Gesicht Dr. Phistos. Der rothaarige Anästhesist meinte: »Die könnte mir auch gefallen. Wo haben Sie die denn
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