Seine junge Geliebte
hielt, fehlten diese Falten.
Ein neuer Gedanke kam ihr: War ihr heutiges Rendezvous mit dem jungen Arzt schon ein Vertrauensbruch? Wie stark war sie an Peter Sartorius gebunden? Sie überlegte, ob sie ihre heutige Verabredung absagen sollte. Es war ein leichtes. Sie brauchte nur die Klinik anzurufen und Dr. Heidmann zu bitten, nicht auf sie zu warten.
Sie nahm schon den Telefonhörer in die Hand, klappte das Telefonbuch auf, um nach der Nummer der Bergmann-Klinik zu suchen.
Dann ließ sie aber den Hörer wieder auf die Gabel fallen. Sie hatte länger keine Beziehungen zu jüngeren Menschen gehabt.
Warum sollte sie nicht von der Gelegenheit profitieren, die ihr das Schicksal schickte? Sie brauchte Peter ja nicht einmal etwas davon zu erzählen. Sie wußte, wie eifersüchtig er war. Er würde zwar nichts sagen, aber er würde es sie unbewußt merken lassen, daß er damit nicht einverstanden wäre.
Sie schaute auf die Uhr. Sie hatte noch etwas Zeit, um sich auf den Abend vorzubereiten.
Sie überlegte, ob sie den jungen Arzt heraufbitten oder ob sie ihn unten an der Haustüre abfangen sollte. Im ersten Impuls war sie geneigt, das letztere zu tun. Es zog wenigstens keine Konsequenzen mit sich. Aber dann verwarf sie diesen Gedanken wieder. Warum sollte sie ihn nicht in ihrer Wohnung empfangen?
Sie stellte sich noch einmal vor, wie er sie gefragt hatte, ob sie mit ihm ausgehen wolle. Er hatte so verlegen gewirkt, daß wahrscheinlich gerade diese Verlegenheit sie veranlaßt hatte, zuzustimmen.
Sie ging in die Küche und schaute im Kühlschrank nach, was sie ihm anbieten könnte. Ihr Auge fiel auf eine Flasche Sekt, die ihr Peter geschenkt hatte.
Der Gedanke, daß sie ausgerechnet diesen Sekt mit einem anderen Mann trinken wollte, kam ihr zunächst absurd vor.
Aber dann mußte sie lachen. Lag der Reiz des Lebens nicht gerade im Absurden …?
Sie nahm aus der Vitrine zwei Sektgläser und hielt sie prüfend gegen das Licht. Sie wischte sie aus, damit sie sauber glänzten. Sie stellte sie auf den Tisch des Wohnzimmers, ging dann an den Schreibtisch und nahm noch einmal Peters Bild zur Hand.
Sie überlegte, ob sie es auf dem Schreibtisch stehen lassen sollte, aber dann beschloß sie, es lieber fortzunehmen.
Sie mußte an die Zeit denken, als sie ein kleines Mädchen war. In ihrem Zimmer stand ein Heiligenbild. Jedesmal, wenn sie irgend etwas tat, was sie für eine Sünde hielt, drehte sie das Bild um, damit die Heilige nicht sah, was sie tat.
Sie hielt Peters Bild zögernd in der Hand. Achselzuckend öffnete sie die Schublade des Schreibtisches und legte das Bild – mit dem Gesicht nach unten – hinein. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, als sie die Schublade schloß.
Zwar hatte sie nicht die Absicht, irgend etwas zu tun, was Peter vielleicht mißbilligen könnte, aber irgendwie fühlte sie sich doch wohler, als sie Peters fragende Augen nicht mehr sah.
Sie begann sich nun darauf zu freuen, daß sie den jungen Arzt wiedersehen würde. Sie freute sich darauf, mit ihm in eine Weinstube zu gehen. Sie hoffte, daß es ein Lokal war, in den junge Leute verkehrten. Es mußte schön sein, wieder einmal unter Menschen ihres Alters zu sein …
5
»Haben Sie sechs Richtige im Lotto?« Dr. Phisto tippte Dr. Heidmann auf die Schulter. Der junge Arzt zuckte zusammen.
»Wie meinen Sie das?«
»Schauen Sie doch mal in den Spiegel, wie Sie aussehen!« Der rothaarige Anästhesist deutete auf ein Waschbecken im Flur.
Dr. Heidmann ging zum Spiegel, schaute hinein und schüttelte den Kopf. »Ich sehe doch nicht anders aus als sonst auch?«
»Doch, Ihnen strahlt ein inneres Glück aus den Augen! Sind Sie am Ende –«, auf Dr. Phistos Gesicht erschien ein Grinsen, »verliebt?« Er packte ihn am Arm, zog ihn zum Fenster und betrachtete ihn kopfschüttelnd.
Ärgerlich machte sich Dr. Heidmann von ihm los. »Das ist doch Unsinn!« Einerseits tat es ihm gut, daß Dr. Phisto seinen gegenwärtigen Zustand erriet, auf der anderen Seite aber kannte er Dr. Phisto zu genau, um nicht zu wissen, daß dieser ihn sofort zur Zielscheibe seines Spottes machen würde, falls er merkte, daß er tatsächlich recht hatte. Er beschloß, einfach zuzugeben, daß er verliebt sei. Kollege Phisto hatte ja Bärbel noch am Fahrstuhl gesehen.
»Ja – ich bin Hals über Kopf verliebt!« Er übertrieb mit der Sprache und schmunzelte. »Ein süßer Käfer! Sie ist –«, er zögerte einen Augenblick, »schwarz wie –«, er deutete auf einen
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