Seine Lordschaft lassen bitten
Betrachtung vermischte sich das Porträt, wie das meistens geschieht, und verwandelte sich in ein Konglomerat gemalter Flecke und Streifen. Er machte die Entdeckung, daß das menschliche Gesicht in den Augen eines Malers aus lauter grünen und purpurnen Flecken besteht.
Hardy trat wieder zurück und änderte seine Fragestellung: »So hat er also ausgesehen, nicht wahr?«
Er zog die Fotografie von Plant aus der Tasche und verglich sie mit dem Porträt. Das Porträt schien sich über sein Erstaunen lustig zu machen.
»Diese Modefotografen retuschieren die Aufnahmen natürlich, meinte er. »Aber das geht mich nichts an. Dieses Ding hier ist ein tadelloser Blickfänger. Meinen Sie nicht auch, Wimsey? Ob man uns wohl zwei Spalten Platz auf der ersten Seite gibt? Na, Warren, Sie legen am besten los.«
Der von künstlerischen oder journalistischen Erwägungen unbeschwerte Fotograf studierte schweigend das Gemälde, und es wurde für ihn zu einer Angelegenheit von panchromatischen Platten und Farbfiltern. Crowder half ihm, die Staffelei in ein besseres Licht zu rücken. Zwei oder drei Leute aus anderen Abteilungen, die in dienstlicher Eigenschaft durch das Atelier gehen mußten, blieben stehen und schauten eine Weile zu, als handle es sich um einen Straßenunfall. Ein melancholischer, grauhaariger Mann, der anstelle des verblichenen Coreggio Plant vorübergehend Leiter des Ateliers war, nahm mit einer gemurmelten Entschuldigung Crowder beiseite, um ihm ein paar technische Instruktionen zu geben. Hardy wandte sich an Lord Peter.
»Es ist verdammt häßlich, meinte er. »Ist es aber gut?«
»Glänzend«, entgegnete Wimsey. »Sie können sich richtig austoben. Können darüber sagen, was Sie wollen.«
»Herrlich! Könnten wir nicht einen unserer vernachlässigten britischen Meister entdecken?«
»Ja. Warum nicht? Wahrscheinlich werden Sie den Mann zum Salonhelden machen und ihn als Künstler ruinieren, doch das ist seine Angelegenheit.«
»Aber sagen Sie einmal – halten Sie es für ein gutes Ebenbild? Er hat ihn äußerst unheimlich dargestellt. Plant hat es ja für so schlecht gehalten, daß er es nicht haben wollte.«
»Um so törichter von ihm. Haben Sie je von dem Portr ä t eines gewissen Staatsmannes gehört , das seine innere Leere so stark zum Ausdruck brachte, daß er es eilig aufgekauft und versteckt hat, damit Leute wi e Sie es nicht in die Finger be kommen sollten?«
Crowder kehrte zurück.
»Sagen Sie«, fragte Wimsey, »wem gehört das Bild eigentlich ? Ihnen? Oder den Erben des Verstorbenen oder wem?«
»Ich werde wohl darauf sitzenbleiben«, erwiderte der Maler . »Plant hat mir mehr oder weniger den Auftrag dazu gegeben , aber – «
»Was heißt das: mehr oder weniger?«
»Er hat mir dauernd durch die Blume zu verstehen gegeben , daß er s ich gern von mir malen lassen mö chte. Und da er mein Vorgesetzter war, hielt ich es für richtiger, darauf zu reagieren. Ein Preis wurde überhaupt nicht erwähnt . Als er es sah, mochte er es nicht leiden und verlangte von mir, daß ich es ä ndern solle.«
»Das haben Sie aber nicht getan.«
»Nun ja, ich habe es beiseite gestellt und gesagt, ich wolle sehen, was sich machen lie ß e. Ich hoffte im stillen, er w ü rde es vergessen.«
»Ach so. Dann können Sie ja wohl darüber verfügen.«
»Das nehme ich auch an. Warum?«
»Sie haben eine sehr individuelle Technik, nicht wahr?« fuhr Wimsey fort. »Stellen Sie viel aus?«
»Hie und da. In London allerdings noch nicht.«
»Ich glaube, ich habe irge ndwo einmal ein paar kleine Seebilder von Ihnen gesehen. Kö nnte es in Manchester gewesen sein? Oder in Liverpool? Ich wußte Ihren Namen nicht, aber die Technik habe ich sofort wiedererkannt.«
»Das kann wohl sein. Ich habe vor ungefähr zwei Jahren ein paar Sachen nach Manchester geschickt.«
»Ja, ich war überzeugt, daß ich mich nicht geirrt hatte. Ich m ö chte das Portr ä t kaufen. Hier ist übrigens meine Karte. Ich bin kein Journalist, ich bin Sammler.«
Crowder blickte abwechselnd auf die Karte und auf Wimsey und schien zu zaudern.
»Wenn Sie es natürlich ausstellen wollen«, sagte Wimsey, »können Sie es selbstverständlich noch so lange behalten, wie Sie wollen.«
»Das hat nichts zu sagen«, antwortete Crowder. »Die Sache ist so: ich bin von de m Ding nicht sehr erbaut. Ich mö chte es am liebsten – ich wollte sagen, es ist eigentlich noch nicht fertig.«
»Lieber Mann, es ist geradezu ein Meisterwerk.«
»Oh, das Gemälde
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