Seine Lordschaft lassen bitten
der Eintänzer in einem Tanzpalast in Cricklewood, und das Mädchen stammt auch daher. Sie dachte wohl, Plant sei etwas Besseres. Jedenfalls kam er herüber und platzte Sonntag abend bei ihnen herein, als sie gerade zu Abend aßen – dann fing der Krach an.«
»Wußten Sie denn nichts von dem Häuschen und von dem, was sich darin abspielte?«
»Wissen Sie, es gibt heutzutage so viele, die Wochenendhäuser haben. Wir können sie unmöglich alle unter Beobachtung halten, solange sie sich anständig aufführen und kein öffentliches Ärgernis erregen. Wie man mir sagt, ist die Frau seit Juni dort, und er kommt immer von Sonnabend bis Montag. Aber es ist ein einsamer Fleck, und der Schutzmann hat nicht sonderlich darauf geachtet. Plant kam immer abends an, da hat ihn keiner so recht gesehen außer der alten Putzfrau, und die ist halb blind. Und als sie ihn fanden, hatte er kein Gesicht mehr, das man erkennen konnte. Man hat bestimmt angenommen, daß er wie üblich abgefahren sei. Damit hat der Makkaronijüngling wohl gerechnet. Wie ich schon erwähnte, gab's einen tollen Krach, und der Italiener wurde rausgeschmissen. Er muß Plant an der Badestelle aufgelauert und ihn dann umgebracht haben.«
»Durch Erwürgen?«
»Er wurde erwürgt.«
»War sein Gesicht mit einem Messer zerschnitten?«
»Nein – ich glaube nicht, daß es ein Messer war. Es sah eher nach einer zerbrochenen Flasche aus. Mit der Flut werden viele solcher Flaschen angeschwemmt.«
»Aber dann sind wir ja wieder bei unserem alten Problem angelangt. Wenn dieser Italiener Plant aufgelauert hat, um ihn zu ermorden, warum hat er sich keine Waffe mitgebracht und sich statt dessen auf seine Hände und eine zerbrochene Flasche verlassen?«
Der Inspektor schüttelte den Kopf.
»Flüchtig«, erwiderte er. »Alle diese Ausländer sind flüchtig. Keinen Verstand. Aber wir haben den Mann, und wir haben das Motiv. Das ist doch sonnenklar. Mehr braucht man nicht.«
»Und wo ist der italienische Bursche jetzt?«
»Weggelaufen. Das ist an sich schon ein guter Beweis für seine Schuld. Aber wir werden ihn bald kriegen. Deshalb bin ich nach London gekommen. Er kann nicht außer Landes gehen. Ich habe einen Steckbrief erlassen. Die Leute von der Tanzhalle gaben uns eine Fotografie und eine gute Beschreibung. Ich erwarte jede Minute einen Bericht. Daher muß ich jetzt wohl gehen. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Gastfreundlichkeit, Mylord.«
»Ganz meinerseits«, sagte Wimsey und klingelte nach dem Diener, der den Inspektor hinausbegleiten sollte. »Ich habe viel Freude an unserer kleinen Unterhaltung gehabt.«
Als Wimsey am nächsten Tag um zwölf Uhr in den »Falstaff« schlenderte, fand er dort, wie er erwartet hatte, Salcombe Hardy, der seine rundliche Gestalt gegen die Bar lehnte. Der Berichterstatter begrüßte seine Ankunft mit ungewöhnlicher, geradezu überschäumender Herzlichkeit und bestellte sofort zwei große Whiskys. Sobald das übliche Geplänkel wegen der Bezahlung ehrenhaft beigelegt war, indem man die Gläser prompt austrank und zwei andere spendierte, zog Wimsey die letzte Nachtausgabe der Abendnachrich ten aus der Tasche.
»Könnten Sie nicht bei Ihrer Zeitung für mich einen anständigen Abzug dieser Aufnahme beschaffen?« fragte er und deutete auf das Bild vom Strand bei East Felpham.
Salcombe Hardy blickte ihn mit fragenden Augen an, die wie ertrunkene Veilchen aussahen.
»Hören Sie mal, Sie alter Spürhund«, sagte er, »soll das etwa heißen, daß Sie eine Theorie haben? Ich muß unbedingt etwas darüber schreiben. Die Polizei ist offenbar seit gestern abend nicht weitergekommen.«
»Nein, ich bin von einem gänzlich anderen Gesichtspunkt aus daran interessiert. Ich hatte eine Theorie – wenn man's so nennen kann –, aber sie scheint ganz verkehrt zu sein. Nun, das kann vorkommen. Aber ich möchte gern einen Abzug haben.«
»Ich werde Warren einen abluchsen, wenn wir zurückkommen. Wir wollen nämlich zusammen zu Crichton gehen, um uns ein Bild anzusehen. Sagen Sie, wie wär's, wenn Sie mitkämen. Dann könnten Sie mir verraten, was ich über das verdammte Ding schreiben soll.«
»Mein Gott! Ich verstehe nichts von gewerbsmäßiger Kunst.«
»Es handelt sich nicht um gewerbsmäßige Kunst, sondern um ein Porträt dieses Tropfes Plant. Gemalt von einem Burschen in seinem Atelier. Das Mädchen, das mir davon erzählte, behauptet, es sei geistreich. Ich verstehe nichts davon, sie wahrscheinlich auch nicht. Aber Sie sind doch
Weitere Kostenlose Bücher