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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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Unglücksfällen gerufen werde, bei denen ich selbst unglücklich bin! Warum also jetzt das?
    Ich knete meine Finger, trete von einem Fuß auf den anderen und habe das Gefühl, ich müsste gleich tot umfallen, wenn ich nicht sofort herausfinde, ob das tatsächlich mein Vater ist.
    Endlich steht einer der Sanis auf, ich erhasche einen Blick auf die Person am Boden, und mein Herz macht einen Hüpfer. Dort liegt nicht mein Vater!
    Vor Erleichterung geben meine Knie nach, und ich lasse mich auf das Trittbrett des Lkw sinken. Nadine kommt zu mir. »Nicht mein Vater!«, murmele ich und sehe starr auf den Menschen, der mit der Trage in den Rettungswagen geschafft wird.
    »Die Sanis sagen, es ist halb so schlimm. Nur ein Kreislaufzusammenbruch, wegen der Hitze.«
    Ich nicke und versuche, mich nicht zu schämen, dass ich solche Freude verspürt habe, weil das nicht mein Vater ist.
    Im Streifenwagen höre ich mein Handy klingeln und renne hin.
    »Du hast angerufen?«
    » PAPA !!«
    »Ja, was ist denn los?«
    »Wer ist mit deinem Lkw unterwegs?«
    »Der Raimund ist für mich gefahren. Mir war nicht so gut heute Morgen.«
    Ich schildere ihm kurz, was passiert ist, und kläre ab, was wir mit seinem Lkw und der Ladung anstellen sollen, denn auf der Autobahn kann er schlecht stehen bleiben. Mein Vater verspricht, jemanden zu schicken, der sich kümmert, und außerdem Raimunds Familie zu benachrichtigen.
    Als er schon fast aufgelegt hat, flüstere ich in den Hörer: »Ich hab dich lieb, Papa!«
    Ich kann seine Überraschung fast hören, so was sage ich sonst nicht. Wir sind nicht so gefühlsduselig bei Binders. Sehr herzlich, aber über Gefühle spricht man nicht, man zeigt sie.
    »Ich dich auch!«, brummt er zurück. »Ich hoffe, du bist vorsichtig zu dem Einsatz gefahren?«
    Ich kreuze die Finger. »Ja, klar, Papa! Nie schneller, als der Schutzengel fliegen kann!«
    Nadine neben mir kichert leise. Als ich aufgelegt habe und wir zum Streifenwagen gehen, sagt sie: »Dein Schutzengel hat Düsenantrieb, oder?«

Wie stoppt man einen Geisterfahrer?
2006
     
    Mein Schutzengel scheint tatsächlich einen Düsenantrieb zu besitzen oder zumindest ein gutes Gefühl für das richtige Timing. Jedenfalls war er, abgesehen von meinem gebrochenen Nasenbein in der Ausbildung, bisher immer gerade noch rechtzeitig zur Stelle, und nie habe ich mehr abbekommen als ein paar Kratzer oder blaue Flecken, obwohl natürlich auch ich während des Dienstes so manchen gefährlichen Stunt hingelegt habe – manchmal nicht gerade zur Freude meiner Vorgesetzten.
    Doch selbst mein Schutzengel muss ins Schwitzen gekommen sein, als er eines Dienstagabends Richtung A 4 fliegen musste, auf der ein Geisterfahrer unterwegs war.
    Zum Zeitpunkt dieses Einsatzes versehe ich meinen Dienst nicht mehr auf der Wache Frechen, sondern gehöre seit ein paar Monaten zum zivilen Einsatztrupp, einer speziellen Fahndungsgruppe der Autobahnpolizei. Tim ist mein fester Streifenpartner, ich trage keine Uniform mehr, besitze eine Kripomarke, fahre einen eigenen zivilen Einsatzwagen, und unsere Aufgabe besteht in der Regel darin, die Einfuhr von Betäubungsmitteln über die niederländische Grenze zu unterbinden. Hier und da übernehmen wir auch Observationen für die Kriminalkommissariate oder betätigen uns auf dem weiten Feld der illegalen Einwanderung, die es trotz EU , Schengenabkommen und offenen Grenzen überall immer noch gibt.
    Der Dienst war fast schon langweilig gewesen. Wir hatten wie üblich am Grenzübergang zu den Niederlanden herumgelungert und den einreisenden Verkehr beobachtet. Hier und da hatten wir ein paar Jugendlichen ihre frisch erworbenen paar Gramm Marihuana wieder abgenommen, aber es war nichts Großartiges oder gar Bemerkenswertes passiert.
    Jetzt rollen wir relativ entspannt vom Aachener Autobahnkreuz wieder in Richtung unserer Wache in Eschweiler. Es ist kurz vor Feierabend. Ich sitze am Steuer unseres steinalten, aber heiß geliebten dunkelgrünen Opel Vectra, Tim lümmelt auf dem Beifahrersitz. Ich bin mit meinen Gedanken schon fast zu Hause in meinem gemütlichen Bett, als wir plötzlich wie elektrisiert hochschießen. Die Funkdurchsage wird gerade noch einmal wiederholt: » GEISTERFAHRER AUF DER A 4 . Ist in Weisweiler aufgefahren und fährt in Richtung Aachener Kreuz dem Verkehr, der nach Köln fährt, entgegen.«
    »Der kommt genau auf uns zu!«, kommt es ungläubig vom Beifahrersitz.
    Ich nicke nur und fingere schon unter meinem Sitz nach dem

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