Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
das weiße Pulver nicht nur durch die Nase gezogen, sondern gleich auch noch den Mund damit gespült.
Trotz der offenbar faulen Geschichte, des positiven Drogentests und der fehlenden Papiere für das Fahrzeug finden wir zunächst nichts weiter. Die beiden Kollegen passen auf die »Diamantenhändler« auf, während Tim und ich durch das Auto krabbeln. Wir stecken unsere Nasen in Lüftungsschlitze, bauen die Manschetten der Gangschaltung und der Handbremse ab, ich bastele die Hutablage aus dem Heck und schiebe meine Finger in jede Ritze des Fahrzeugs. Tim kriecht fast komplett in den Kofferraum, ich versenke meine Arme im Motorblock und tauche von oben bis unten mit schwarzen Ölstreifen verziert wieder auf. Wir schrauben den Luftfilter auf, brechen den Sicherungskasten auseinander, und obwohl mittlerweile jeder von uns sicher ist, dass wir hier einen ordentlichen Drogenkurier vor uns haben, finden wir rein gar nichts.
Schwitzend, staubig und mit öligen Fingern stehen wir vor dem Wagen, die Hände in die Hüften gestemmt, und legen nachdenklich die Köpfe schief. Die beiden Italiener finden unser Schauspiel sichtlich erheiternd und warten freundlich lächelnd neben dem Fahrzeug.
Plötzlich geht Tim neben der hinteren Beifahrertür in die Knie und zeigt auf etwas. Ich trete langsam näher, und dann sehe auch ich es. Breit grinsend mache ich einen Schritt zurück und den Jungs Platz, denn jetzt ist Kraft gefragt. Schneller, als ich gucken kann, haben sie die hintere Sitzbank ausgebaut. Samt der kleinen weißen Pulverspur, die Tim da am unteren Rand entdeckt hatte, steht sie jetzt neben mir auf dem Parkplatz.
Den beiden Herren ist das Lächeln mittlerweile zur Grimasse gefroren, sie haben die geballten Fäuste in den Hosentaschen vergraben. Knapp zehn Minuten später haben die Kollegen den Zugang zum Tank freigelegt, der sich unter der Rücksitzbank befindet. Auch hier findet sich wieder eine zarte weiße Pulverspur.
Beherzt greift Tim in die Öffnung, die sonst nur für Reparaturen am Tank vorgesehen ist, durch die man aber aufgrund ihrer Größe mit einer Taschenlampe einen hervorragenden Blick ins Innere hat. Er verzieht das Gesicht und fischt nach einer Weile eine Colaflasche aus dem Diesel. Wieder steckt er den Arm in den Tank und angelt sich die nächste Flasche.
Nach und nach stapelt er Fläschchen für Fläschchen neben sich, während der Geruch nach Diesel und das mittlerweile ziemlich wütende Geschimpfe der Italiener immer unerträglicher werden. Endlich schüttelt er den Kopf. »Nix mehr drin!«
Die Jungs schnappen sich die Herren Diamantenhändler, lassen die Handfesseln klicken, und ich trage fast vier Kilo reinstes Kokain in Colaflaschen zu unserem Auto.
Dann geht alles recht schnell: Die Flaschen werden beschlagnahmt, das Auto ebenfalls. Während wir auf der Wache unsere Anzeigen schreiben, sitzt mir der Fahrer gegenüber, der ja immerhin ein wenig Deutsch kann und nun meint, er könne mich irgendwie überzeugen, dass ich weder die Flaschen gesehen noch das Koks in meinen Händen gehalten hätte.
»Ich mache aus dir reiche Frau!«, raunt er mir zu, als wir gerade einen Moment alleine im Raum sind, und klimpert mit den Wimpern. »Wenn du mich bringst hier raus, du wirst mächtige Frau in Sicilia! Ich bezahle dir Auto, Kleider, neue Möpse, alles. Was du willst!« Er spitzt die Lippen und haucht Küsse in die Luft, während ich krampfhaft versuche, mir das Lachen zu verkneifen. Ob ich wirklich neue Möpse brauche oder gar so aussehe, als würde ich mir welche wünschen? Dankend lehne ich ab.
Das passt ihm irgendwie so gar nicht in den Kram. Wütend springt er von seinem Stuhl auf und spuckt, da er mit den gefesselten Händen nicht gestikulieren kann, vor mir auf den Schreibtisch, bevor er brüllt: »So gehte keine mit mir umme! Ich bin eine mächtige Mann, und du, du bist tote kleine Nutte! Bist du!« Seine Stimme ist immer leiser geworden und hat jetzt einen gefährlichen Unterton. Als meine Kollegen, die inzwischen wieder reingekommen sind, ihn auf seinen Stuhl drücken und sein hasserfüllter Blick mich trifft, läuft mir tatsächlich ein Schauder über den Rücken.
Obwohl ich ihn sicher verwahrt weiß und er zu mehreren Jahren Gefängnis verurteilt wird, drehe ich mich noch Wochen nach seiner Verhaftung abends beim Aufschließen der Haustür dreimal um und vergewissere mich, dass niemand in der Nähe ist. Ich gewöhne es mir ab, im Dunkeln joggen zu gehen, und meide abgelegene Parkplätze
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