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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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und dunkle Parkhäuser. Was weiß ich kleine Polizistin denn schon? Vielleicht ist der Dicke mit den protzigen Ringen tatsächlich ein Mafiaoberboss. Und selbst wenn er nur ein kleines Licht ist, dürften seine Auftraggeber über unseren Zufallstreffer nicht erfreut gewesen sein. Schließlich hatte das von uns abgefischte Kokain einen Verkaufswert von mehreren Hunderttausend Euro. Außerdem habe ich den »Paten« gelesen, und mit einem blutigen Pferdekopf im Bett will ich nun wirklich nicht aufwachen.
    Natürlich ist das nun schon eine Zeit her, und weder sind mir dubiose Gestalten in meiner Nähe aufgefallen, noch hat man Racheakte an mir verübt. Zwar drehe ich mich immer noch mehrmals um, wenn ich durch ein dunkles Parkhaus laufe, aber das ist eher meinem Konsum von zu vielen Horrorfilmen geschuldet als meiner Furcht vor der Rache des sizilianischen Paten.

Fotze
2007
     
    Sechseinhalb Jahre bin ich nun als Autobahnpolizistin geradeaus gefahren, bin höchstens rechts, aber niemals links abgebogen und habe hauptsächlich verkehrsrechtliche Probleme gelöst. Jetzt ist es an der Zeit, dass ich mich von der »Sonnenscheinwache« Autobahn verabschiede und mich neuen Herausforderungen stelle. Und die bekomme ich: Im sozialen Brennpunkt Köln-Chorweiler soll ich ein Jahr lang, bis zum Beginn meines Studiums Streife fahren, neue Erfahrungen und Eindrücke sammeln und vor allem Einblicke in die Arbeit der Polizei fernab der Autobahn bekommen.
    Für Sicherheit sorgen soll ich. In Chorweiler, einer Hochhaussiedlung mit Graffiti an den Wänden, vollgepissten Hausfluren und Aufzügen und mit Wohnungen, die so verwahrlost sind, dass man kaum glauben kann, wie dort jemand wohnen kann.
    »Fast der ganze Stadtteil besteht aus kleinkriminellen Typen, die sich leider nicht nur gegenseitig täglich in die Fresse hauen, sondern auch noch das Umland belästigen«, erklärt mir mein neuer Kollege Uwe, während wir durch die gut gefüllte Fußgängerzone marschieren, auf der Suche nach ein paar Jugendlichen, die zu dem gewöhnlichen Mist, den sie sonst so bauen, heute einen bewaffneten Kiosküberfall hingelegt haben. »Jetzt schon wieder so ein Einsatz, bei dem man genau weiß, was einen erwartet. Man sollte die alle auf eine einsame Insel verfrachten oder ganz Chorweiler einzäunen, da könnten sie sich dann wenigstens nur mit sich selbst beschäftigen.«
    Ich kenne Uwes Tiraden schon und verstehe seine Frustration. Aber so ist es nun mal, wir beide werden die sozialen Probleme einer Hochhaussiedlung wie Chorweiler mit hohem Ausländeranteil und vielen sozial schwachen Einwohnern auch nicht im Handstreich lösen, selbst wenn wir uns das im Stillen manchmal wünschen, weil wir dann auf einen Schlag ungefähr siebzig Prozent weniger Arbeit hätten. Also schweigen wir und suchen stattdessen nach unseren Straftätern – mit einer Beschreibung an der Hand, die auf jeden Dritten hier passt:
    – 170  cm groß
    – schwarze Haare
    – Irokesenfrisur
    – Kapuzenjacke
    – Jeans
    Unheimlich hilfreich. Und dann wundern die Leute sich, dass wir die Typen nicht erwischen. Wenn wir ehrlich sind, erwischen wir wirklich immer nur die Dummen: diejenigen, die sich nicht gut genug verstecken, die sofort weglaufen, wenn sie uns sehen, oder die so markante Tattoos, Nasenpiercings oder Ohrringe tragen, dass ich schon bei der Beschreibung weiß, bei wem ich klingeln muss.
    Heute sind es wieder die Dummen, die uns ins Netz gehen. Als wir um die nächste Ecke biegen, sehen wir gerade noch, wie zwei Jungs bei unserem Anblick die Beine in die Hand nehmen und losflitzen. Uwe und ich hinterher. Keuchend versuche ich, zu funken und gleichzeitig zu rennen, mit dem Effekt, dass beides nicht optimal gelingt.
    »Täter … gesehen … Athener Ring weggelaufen … hinterher!« So oder so ähnlich klingt das, was ich in das Funkgerät brülle, während ich versuche, an Uwe dranzubleiben, und dieser wiederum versucht, die Bengels einzuholen.
    Zwei Seitenstraßen weiter geben wir schnaufend und keuchend auf. Die Jungs tragen Turnschuhe, wir grobe Wanderstiefel. Wir schleppen zusätzlich zu unserem Körpergewicht noch mehr als fünf Kilo Krempel mit uns herum, während die Kerle gerade mal dem Kindesalter entwachsen und topfit sind.
    Schnaufend laufe ich aus, Uwe lehnt bereits an einer Wand. In einer Mischung aus Wut und Belustigung sieht er mich an: »Irgendwann kriegen wir sie alle. Aber heute nicht, ich kann nicht mehr!« Er wischt sich den Schweiß von der Stirn und

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