Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)
spuckt in einen zugemüllten Vorgarten, als von der nächsten Kreuzung Geschrei zu uns herüberschallt.
»Fick dich, du Scheißfotze!«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, rennen wir wieder los und biegen um die Ecke. Ein Streifenwagen steht quer auf dem Bürgersteig. Unsere Kollegin Johanna rollt mit einem der Jungs, die wir gerade verfolgt haben, in wildem Kampf über den Boden, ihr Partner Paul schleift einen weiteren am Kragen zum Streifenwagen.
»Fick dich, du Scheiß…«, will der, auf dem Johanna mittlerweile kniet, gerade wieder schreien, während sie versucht, seine Hände zu fassen zu kriegen, als ich ihr zur Hilfe komme und dem Jungen die Arme nach hinten biege.
»Ich dachte, die Scheißfotze wäre ich, Murat?« Auf den zweiten Blick habe ich erkannt, welche Schätzchen uns da heute ins Netz gegangen sind.
Murat und sein Kumpel Marcel. Keine sechzehn Jahre alt, frech wie Dreck und leider krimineller, als ihr Alter vermuten ließe.
»Alle beide seid ihr Drecksfotzen, Alter, ich fick euch!« Klein-Murat windet sich wie wild unter unseren Griffen und schiebt zuckend in wilden Bewegungen sein Becken vor und zurück. »Ich fick euch Huren alle!«
»Kindchen, dazu fehlt dir noch die notwendige Ausstattung!« Johanna kichert und lässt die Handfesseln einrasten.
»Zeig’s den Schlampen, Murat!« Ah, sein Kumpel Marcel hat seine Stimme wiedergefunden und kräht jetzt aus dem Streifenwagen zu uns rüber. Murat zappelt immer noch am Boden und weigert sich aufzustehen.
Jetzt reicht es. Gemeinsam heben Johanna und ich das Fliegengewicht mit den gefesselten Armen hoch und setzen es neben seinen Kumpel auf den Rücksitz.
Während andere Jugendliche und ganz sicherlich auch Erwachsene in dieser Situation eindeutig einsehen würden, dass sie verloren haben, und den Rand halten, ist das bei Murat und Marcel leider nicht so.
»Ich fick deine Mutter, du Drecksau. Guck mal in den Spiegel. Du Sau. Fotze. Arschloch. Ihr könnt mir gar nichts. Du bist so hässlich, dich würde nicht mal ein Esel ficken! Deine Mutter …« Murat, der den Ablauf hier bei uns schon bestens kennt, beginnt das Ganze unheimlich lustig zu finden und geht alle ihm bekannten Beleidigungen durch. Gewöhnlich wird er nach so einer Sache zur Wache transportiert, da muss er ein bisschen rumsitzen, während er sich die Zeit damit vertreibt, die Beamten einmal nacheinander ordentlich zu beleidigen. Dann erscheint irgendwann sein Vater, Murat verdrückt ein paar Tränchen, bekundet, wie leid ihm alles tut, und kann gehen. Offenbar bezahlt Papa auch seine Strafen immer brav, denn weitere Konsequenzen hatten seine Aktionen, soweit ich weiß, bisher nie.
Doch was Murat und Marcel noch nicht wissen, ist, dass wir diesmal ein Videoband von ihnen und ihrem Raub im Kiosk haben. Wie die Kollegen mir über Funk mitteilen, kann man beide klar erkennen. Noch wichtiger ist, dass man erkennt, wie sie die alte Dame hinterm Tresen mit der Gaspistole bedrohen und die Waffe dann auch abfeuern. Heute werden weder Murat noch Marcel nach Hause gehen dürfen, und wenn Papi noch so freundlich ist. Heute sind Festnahme und U -Haft angesagt, für beide.
»Ey, Fotze, mach mal die Fesseln lockerer. Die tun mir weh. Ich zeig dich an, dann zahlst du Schmerzensgeld, bis du blutest. Du dumme Sau.«
»Halt den Rand!« Auch Paul scheint jetzt mit der Geduld am Ende. Normalerweise ist er immer derjenige, der sich mit stoischer Geduld die wildesten Beschimpfungen anhört und alles von sich abprallen lässt, ohne die geringste Reaktion zu zeigen. Aber das heute ist eindeutig einen Tick zu viel.
Als wir die beiden Jungräuber endlich im Wagen verstaut haben, um sie zur Wache zu karren, erzählt mir Johanna, dass sie meinen gekeuchten Funkspruch gerade noch aufgeschnappt hatten, als ihnen die beiden schon quasi vor die Motorhaube liefen.
Uwe nickt und meint trocken: »Sag ich ja, irgendwann kriegen wir sie alle!«
Vom Rücksitz des Streifenwagens schallt es wieder: »Ich ficke deine Mutter, du Hurensohn! Du Eselficker! Du Scheißdrecksbulle!«
»Ja, ja, Murat, die Leier kennen wir jetzt schon. Leg mal ’ne neue Platte auf.« Ich winke genervt ab.
»Fotze, kannst du mich nicht direkt nach Hause fahren? Ich kann doch eh gleich wieder gehen. Alte Fotze, lutsch meinen Schwanz! Hühnerficker, Hühnerficker.«
Irgendwo in meinem Hirn legt sich ein Schalter um, und ich vergesse, dass ich hier im Grunde zwei Kinder vor mir habe. Zuckersüß lächelnd, drehe ich mich um:
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