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Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition)

Titel: Seine Toten kann man sich nicht aussuchen: Eine Polizistin erzählt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janine Binder
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Tote in der dritten Etage liegt, hätte ich nicht gedacht.
    Auf dem Treppenabsatz zum Flur der dritten Etage bleiben die uniformierten Kollegen stehen und deuten auf eine Tür. »Da hinten ist es! Wir warten dann mal hier. Viel Spaß!«
    Kaum haben wir uns umgedreht, sind sie die Treppe schon wieder runtergeflitzt, und ich höre, wie sie im Erdgeschoss nach Luft schnappen.
    Es ist wirklich eklig. Die Luft ist irgendwie dick und dicht, der Leichengeruch liegt wie ein Nebel im Hausflur, man schmeckt ihn sogar, wenn man sich mit der Zunge über die Lippen fährt.
    »Wie kann man so was so lange nicht bemerken?«, murmelt Norbert und steuert auf die Wohnungstür zu, während er sich Mentholpaste unter die Nase schmiert und mir dann das Döschen hinhält. »Da, nimm!«
    Ich schüttle den Kopf. »Mir macht das irgendwie nichts!«
    »Nimm, Mädchen! Bei mir brauchst du nicht die Harte zu spielen!«
    Ich schüttle wieder den Kopf, er steckt sein Döschen ein. »Kotz mir bloß nicht irgendwo hin!«
    Neugierig folge ich ihm in die Wohnung. Ich weiß, ich werde nicht kotzen. Trotzdem reiße ich kurz entsetzt die Augen auf, als er die Tür aufschiebt. Auf den Wänden und auf dem Boden wimmelt und krabbelt es. Fliegen, Maden, kleine Käfer und leere Insektenpuppen liegen herum, kaum ein Quadratzentimeter, auf dem sich nicht irgendwelches Getier tummelt.
    »Macht dir das auch nichts?«, fragt mich der Kollege, öffnet seinen Koffer und reicht mir grinsend Einmalhandschuhe und Plastiküberzieher für meine Schuhe.
    Mir kribbelt vor Ekel der ganze Körper, als wir uns unseren Weg durch die wimmelnde und wogende Masse auf dem Fußboden suchen. Es knackt und knirscht bei jedem Schritt.
    »Wenn wir bei dem Toten sind, pass auf, dass du nicht mit dem Leichenwasser in Kontakt kommst. Es sammelt sich durch die Verwesung unter der Haut und ist hochinfektiös!«, warnt er mich.
    Ich nicke stumm, folge Norberts Beispiel und lege mir einen Mundschutz an. Dann betreten wir das Wohnzimmer, wo der Tote liegt, und plötzlich regt sich auch in mir der dringende Wunsch, ein Fenster zu öffnen. Aber das oberste Gebot an Tatorten – und darum handelt es sich hier – lautet: Nichts verändern, bis alles fotografiert ist. Also harre ich aus und versuche, möglichst flach zu atmen und all die Tierchen, die vermutlich grad auch auf meiner Kleidung sitzen und herumkrabbeln, auszublenden.
    Norbert fotografiert, und ich stöbere durch die anderen Zimmer, die offenbar schon vor dem Tod ihres Bewohners ein wahres Paradies für Insekten und Kleingetier gewesen waren. Im Bad liegt eine tote, angeknabberte Ratte, das Waschbecken hat so tiefbraune Krusten, dass ich mir nicht erklären kann, wie man sich hier hätte waschen sollen.
    In der Küche stoße ich unter einem Stapel Geschirr auf die größte Made, die ich je gesehen habe. Fasziniert beuge ich mich vor und beobachte den dicken weißen Wurm. Er ist fast so groß wie mein kleiner Finger und frisst sich gemächlich durch die verschimmelten und verfaulten Essensreste.
    »Wahnsinn!«, entfährt es mir. Fasziniert gehe ich noch näher dran und stoße das Riesenviech leicht mit meinem Kugelschreiber an.
    »Kind, lass es, das ist ja ekelhaft!«, ertönt Norberts Stimme neben mir, und ich ernte einen tadelnden Blick.
    Es fällt mir schwer, meine Begeisterung zu verbergen. »Hast du schon mal so eine Made gesehen?«
    Er nickt und verzieht das Gesicht. »Schon. Aber so genau wie du hab ich sie mir nicht angesehen. Widerlich! Komm, ich brauch deine Hilfe.«
    Zögernd reiße ich mich los und folge ihm zurück ins Wohnzimmer.
    Neben einem Sessel bleibt er stehen und deutet auf eine schleimige, leicht grünliche, wachsartige Fläche auf dem Sessel. »Weißt du, was das ist?«
    Ich runzle die Stirn und schaue mich um. Da fällt mein Blick auf den neben dem Sessel liegenden Leichnam eines Mannes. Er hat nur eine Unterhose an, liegt auf der Seite, wirkt unnatürlich aufgedunsen und hat durch die fortgeschrittene Verwesung eine gräulich grüne Farbe angenommen. Überall auf dem Körper krabbeln Fliegen und Käfer herum.
    Mit meiner behandschuhten Hand wedle ich die Tiere weg und habe die Lösung.
    »Kluges Kind!«, grunzt mein Mentor und beginnt vorsichtig, das Zeug abzulösen, das fest am Sessel klebt. Es ist die oberste Hautschicht, die sich ehemals am Rücken des Toten befand.
    »Wie passiert so was?«, will ich wissen, während ich Norbert bei seiner unappetitlichen Arbeit helfe.
    »Willst du die Kurzform oder den

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