Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Benson behielt den Kunden und der Rest ist Geschichte.«
Ich merke, dass ich an meinem Nagel kaue, und nehme den Finger aus dem Mund. Ich kann mich so gut daran erinnern, wie Art mir von Lorcans Verrat erzählt hat. Er hatte sich so überzeugend angehört. Und doch war es eine Lüge gewesen. Noch eine Lüge. Mir wird ganz schlecht beim Gedanken an mein Leben mit Art – eine Vergangenheit voller Täuschungen und Heimlichtuerei. Ich dachte, ich könnte ihm vertrauen. Ich dachte, unsere Beziehung wäre grundsolide. Und all das hat er mir genommen.
Es gibt keine Gewissheit mehr.
»Ich habe mir nicht lange darüber Gedanken gemacht«, erklärt Lorcan. »Wie du gesagt hast, wollte ich die Firma ohnehin verlassen, aber ich hätte Art nie mit dieser Geschichte durchkommen lassen und sein Geld annehmen dürfen. Als ich ihn jetzt wiedergetroffen habe, da hatte ich den Eindruck, dass er inzwischen fast selbst an seine Version glaubt. Ein schlechtes Gewissen hat er ganz offensichtlich nicht. Deshalb war ich wütend und wollte dir näherkommen, um ihm das heimzuzahlen.«
Mir schlägt das Herz im Hals, als Lorcan seine Finger um meine Hand schließt.
»Ich erzähle dir das, weil ich ehrlich sein will«, sagt er. »So hat das hier angefangen – deshalb habe ich dir meine Hilfe angeboten. Zugegeben, ich musste mich nicht sehr dazu zwingen, aber ich habe wirklich nicht daran geglaubt, dass Beth noch am Leben sein könnte, bis wir Rodriguez über das Geld haben reden hören.«
Ich starre ihn an.
»Jetzt sehe ich das anders. Seit wir etwas mehr Zeit zusammen verbracht haben, bin ich … nun, alles ist anders …«
Ich nicke, bin wie betäubt. Die Bedienung schwirrt heran, um unsere Teller abzuräumen, und Lorcan lässt meine Hand los. Ich sehe wieder zum Fenster hinaus. Es ist vom Regen beschlagen. Lorcan wischt mit dem Handrücken ein Stück frei. Wir sitzen einige Augenblicke da und schweigen. Dann räuspert er sich.
»Also … möchtest du noch etwas essen, oder sollen wir zum Gasthof zurück?«, fragt er leise.
»Fahren wir zurück.«
Wir bezahlen und gehen schweigend zum Wagen zurück.
Ich denke darüber nach, was gerade geschehen ist … was gerade geschieht. Was Lorcan mir gerade erzählt hat, ist im Grunde eine weitere Anschuldigung gegen Art. Aber deswegen hat er es mir nicht erzählt … sondern weil es ihm etwas bedeutet, was ich von ihm halte, weil …
Ich starre aus dem Fenster. Damit will ich mich nicht beschäftigen.
Vom Regen ist nur noch ein leichtes Nieseln zu spüren, als wir wieder beim Wardingham Arms eintreffen. Die Wolken indessen hängen so dicht und tief, dass ich erschrecke, als ich auf die Uhr sehe – es ist gerade erst vier.
Ich hoffe, dass statt des Wirts nun ein anderer Bediensteter am Tresen steht, aber er ist noch immer da und streicht sein schütteres Haar glatt, als wir hereinkommen. Wir nicken ihm zu, sprechen aber erst, als wir wieder auf dem Zimmer sind. Mein Herz rast, als Lorcan vor mir steht.
Er legt die Hand auf meinen Arm. Seine Berührung scheint mich zu verbrennen.
»Gen?«
Ich schüttele den Kopf. Ich weiß, er fragt, wie es mir geht … was ich möchte …
»Okay.« Er lächelt. »Ich gehe und nehme ein anderes Zimmer.«
Es entsteht eine kurze Pause. Ich weiß nicht, was ich denken soll. Ich bin müde und gestresst. Lorcan lächelt noch einmal und geht hinaus.
Ich lasse mich aufs Bett sinken und sehe mich im Zimmer um. Es ist ein altes Haus, und der Boden fällt zum Badezimmer etwas ab. Es ist sauber und geschmackvoll eingerichtet. Keine Absteige. Wieder fällt mir ein, dass ich auf dem Bett sitze, das Art benutzt hat.
Wenige Minuten später ist Lorcan zurück.
»Ich wohne zwei Zimmer weiter«, sagt er. »Möchtest du es sehen?«
Ich folge ihm stumm zu seinem Zimmer. Ich gehe hinein. Es ist dem anderen sehr ähnlich, nur alles spiegelverkehrt.
Lorcan nimmt mich in den Arm. Ich lege den Kopf an seine Brust. Ich kann sein Herz schlagen hören. Ich sehe auf, und er beugt sich herunter. Ein zarter Kuss auf den Mund. Sanft. Mein Atem stockt. Noch ein Kuss. Intensiver. Diesmal ergreift mich Begierde.
Begierde und Angst.
Ich löse mich von ihm. »Ich kann das nicht.«
»Okay.« Lorcan atmet tief aus. »Okay.«
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Mein Herz pocht, und ich gerate fast in Panik. »Ich … es ist nur … ich bin nicht …«
»Das macht nichts.« Das sagt er, aber auch seine Stimme schwankt ein wenig. »Das macht wirklich nichts.«
Ich drehe mich um und
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