Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
könnten wir das ja auch bekommen?«
Der Wirt legt die Stirn in Falten. »Hmm, nun, ja, es ist ja frei …«
Wenige Minuten später sind wir in Zimmer sieben – ebenso dunkel möbliert wie der Gastraum unten. Über dem riesigen Bett liegt eine pflaumenfarbene Tagesdecke, die bis zum Boden reicht. Ich setze mich auf die Bettkante und streiche über die Decke. Art ist in diesem Zimmer gewesen. Aber mit wem? Da ist natürlich Hen, aber sie wohnt nur zehn Autominuten von Art entfernt im Londoner Norden; da würden die beiden zum Stelldichein doch nicht so weit aufs Land fahren. Ich denke eher an Sandrine. Sie ist elegant, temperamentvoll und klug, und soviel ich weiß, gehen sie seit Monaten, wenn nicht Jahren, zusammen auf »Geschäftsreisen«.
Lorcan schlendert zum Fenster. »Das ist kein großer Laden hier. Wenn sich Art hier mit jemandem getroffen hat, dann muss das auch jemand mitbekommen haben.«
Ich starre auf die cremefarbene Nachttischlampe und stelle mir vor, wie Sandrine mit schlanken Fingern nach dem Lichtschalter tastet und Art sie dann mit begehrlichem Blick an sich zieht. Mir wird übel bei dem Gedanken.
»Gen?«
Ich habe nicht einmal gehört, dass er etwas gesagt hat. Ich blicke auf.
»Meinst du, es hat einen Zweck zu suchen, ob Art nicht etwas hiergelassen hat? Das ist zwar unwahrscheinlich, aber …« Das Offensichtliche spricht er nicht aus: Einen anderen Anhaltspunkt haben wir nicht.
Mit einem Mal bin ich völlig niedergeschlagen. Nach all der Aufregung der vergangenen 24 Stunden scheinen wir nun in einer Sackgasse zu stecken. Was hilft es denn schon, dass Art hier war? Das bringt mir Beth auch nicht näher.
Wir beschließen, das Zimmer trotzdem zu durchsuchen. Was sollen wir auch sonst tun? Ich mache es wie Lorcan, ziehe Schubladen heraus und suche im Kleiderschrank, am Schreibtisch und im Badezimmer jeden Winkel ab. Das Bett überlasse ich Lorcan. Ich bringe es nicht fertig, die Laken zu mustern, obwohl mir klar ist, dass diese seit Arts Aufenthalt längst gewechselt wurden.
Es vergeht eine Stunde. Wir finden nichts und erfahren nichts Neues. Ich gehe nach unten und plaudere mit dem Wirt. Ich frage ihn, ober man das Hotel auch für Feste buchen kann, wovon sich trefflich zu Arts Geburtstagsparty überleiten lässt. Ich erwähne dabei auch Arts »Freundin«, aber der Wirt reagiert nicht darauf, sodass ich davon ausgehe, dass Art hier alleine eincheckt.
Dann bin ich wieder oben im Zimmer. Das Fenster lässt sich nicht öffnen, und die Luft wird langsam stickig. Zum ersten Mal seit dem Morgen schalte ich mein Handy ein; es sind noch mehr SMS und Mailbox-Nachrichten aufgelaufen. Widerwillig nehme ich mir die letzten vor – eine neue SMS von Hen, die sich um mich sorgt und bittet, sie anzurufen, und zwei neue Voicemails von Art, der, offenbar in heller Aufregung, völlig wirr drauflosredet. »Bitte, Gen, ruf mich an. Das ist doch der reinste Irrsinn. Dieser Film muss einfach eine Fälschung sein. Bitte, Gen, ich mache mir solche Sorgen um dich. Ruf mich an. Ich liebe dich mehr als alles auf der Welt. Bitte glaub mir.« Und so weiter …
Ich schalte das Handy wieder aus und sehe mich um. Lorcan sieht mich nachdenklich an. »Wir sollten mal eine Pause machen«, schlägt er vor.
Ich stehe auf. Draußen gießt die Sonne goldene Strahlen über die Baumwipfel.
»Machen wir doch eine Spazierfahrt«, meint er. »Vielleicht stoßen wir ja auf etwas, das erklären könnte, was Art hier tut … etwas, das mit der Gegend hier zu tun hat.«
Ich nicke, und wir brechen auf. Lorcan schleicht die kleinen Sträßchen entlang. Ein paar hundert Meter vom Wardingham Arms entfernt gibt es ein weiteres Gasthaus – das Princess Alice. Ansonsten findet sich im Umkreis von einer knappen Meile nichts als ein paar abgelegene Bauernhäuser.
Wir fahren weiter bis zu einem kleinen Dorf, steigen dort aus und sehen uns um. Wir gehen in ein Café und bestellen uns jeder ein Sandwich. Ich checke noch einmal mein Telefon. Noch mehr Nachrichten von Art. Diesmal höre ich sie mir nicht an. Ich rufe wie verabredet Bernard an. Er berichtet, Art habe bislang den ganzen Tag im Büro verbracht.
Ich lege auf und stütze den Kopf in die Hände.
»Was können wir denn sonst noch tun?«, stöhne ich. »Wir kommen nicht voran, aber Art weiß , dass ich glaube, dass er mich anlügt. Wenn er also etwas zu verbergen hat, dann lässt er jetzt gerade alle Spuren verschwinden.«
Ich schließe die Augen und bin der Verzweiflung
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