Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Hand.
»Ich wollte mich nur bei Ihnen bedanken. Wir hatten einen wunderbaren Aufenthalt hier.«
»Aufenthalt?« Sie zieht die Stirn in Falten. Offensichtlich versteht sie dieses Wort nicht.
»Besuch«, erkläre ich. »Ein Freund von uns kommt auch hierher«, sage ich und zeige ihr das Foto auf meinem Handy, auf dem Art mit Sandrine, deren Mann und mehreren Arbeitskollegen auf der Party zu sehen ist. »Wir sind froh, dass er uns von diesem Hotel erzählt hat.«
Die Lüge ist so riesengroß, dass sie mir fast im Hals stecken bleibt. Ich bin den Tränen nahe. Das Zimmermädchen sieht mich mit einem seltsamen Blick an. »Alles in Ordnung mit Ihnen?«
»Ja, alles in Ordnung.« Tränen laufen mir nun übers Gesicht. Ich kann sie nicht länger zurückhalten. Mein ganzer Kummer bricht sich Bahn. »Tut mir leid«, murmele ich. »Tut mir leid.«
Ich wende mich ab und gehe weg. Das Zimmermädchen folgt mir.
»Bitte«, sagt sie. »Bitte Sie okay sein.«
Der seltsame Satzbau entlockt mir ein Lächeln. Ich drehe mich zu ihr um. »Danke.«
In ihren Augen lese ich Mitgefühl. »Nicht weinen«, sagt sie. »Ist es so schlimm?«
»Ja.« Das ganze Elend der vergangenen Woche steigt in mir hoch. Ich kann es nicht mehr zurückhalten. Ich zeige wieder auf das Foto auf meinem Handy. »Es stimmt nicht, dass dieser Mann ein Freund ist. Er ist mein Mann. Und ich glaube, er hat mich angelogen.«
Das Zimmermädchen runzelt die Stirn. Dann betrachtet sie das Foto von Art. »Dieser Mann du Ehemann?«
Ich nickte, wische mir übers Gesicht.
»Er kommt … besucht dieses Hotel viele Male.« Sie lächelt wieder, ein freundliches, warmes Lächeln. »Ich ihn nicht sehen mit Frau, Sie sich keine Sorgen machen.«
»Wirklich?« Ich trockne mir die Tränen.
»Wirklich.« Sie deutet auf die Feuertür am Ende des Gangs. »Aber ich sehe ihn dort rausgehen.«
Ich folge ihrem Blick. »Wohin führt die?«
»Hinterausgang«, sagt sie. »Ich sehe ihn rausgehen. Viele Male. Letztes Mal Montag.« Sie nimmt den langen Seidenschal vom Hals. »Er gibt mir das kurz nach Weihnachten. Ein Geschenk, um zu sagen nichts.«
Ich nehme ihr den Schal aus den Händen und betrachte ihn eingehend. Er ist wunderschön – blassgrün mit einem Hauch Silber. Am Ende baumelt ein winziges Etikett. Es ist leicht zu übersehen, da der Preis abgeschnitten wurde. Nur das Logo des Ladens oder der Marke ist noch da: bibo .
Mein Herz pocht wie wild.
»Wissen Sie, wohin er geht?«, frage ich.
Sie zieht mich zum Fenster neben dem Ende des Gangs. Von dort aus hat man Sicht über den Hof auf der Rückseite des Hotels. Eine Reihe von Abfalleimern säumen den Pfad zu einer Ligusterhecke. Jenseits davon liegt die Straße. Das Zimmermädchen deutet nach links. »Er geht diesen Weg«, sagt sie mit einem Schulterzucken. »Ich nicht wissen, wohin.«
»Danke.«
Ich höre Schritte im Gang hinter mir und wende mich um. Es ist Lorcan. Das Zimmermädchen tritt einen Schritt zurück. »Ich gehe jetzt«, sagt sie und nimmt mir den Schal wieder ab. »Bitte nicht sagen, dass ich erzählt.«
Ich nicke, warte dann, bis sie in einem der Räume verschwindet, und winke dann Lorcan in mein Zimmer.
Als ich ihm erkläre, was das Zimmermädchen gesagt hat, piept mein Handy. Ich werfe einen Blick auf die Gesprächsprotokolle. Elf Anrufe und SMS . Nicht nur von Art, Hen und meiner Mutter, auch von Kyle Benson. Ich stecke das Handy in die Hosentasche.
»Aber warum schleicht sich Art zum Hintereingang raus? Und Bernard hat gesagt, Arts Wagen stünde die ganze Zeit über auf dem Parkplatz. Wohin geht er wohl zu Fuß?« Lorcan zieht die Stirn in Falten. »Wir sind doch gestern hier herumgefahren, und wir haben nichts gesehen.«
»Vielleicht haben wir irgendwas übersehen.« Ich schnappe mir meinen Mantel. »Komm, wir bringen unsere Taschen ins Auto und machen dann einen Spaziergang. Mal sehen, was wir finden.«
Zehn Minuten später spazieren wir über die schmale Landstraße, die vom Hotel wegführt. Ein paar Autos brausen mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Obwohl wir im Gänsemarsch an der Hecke entlanggehen, fühlen sich die vorbeifahrenden Wagen gefährlich nahe an.
»Ich glaube kaum, dass Art nur hierhergekommen ist, um einen Spaziergang zu machen«, sage ich. »Es ist lebensgefährlich, hier herumzulaufen.«
»Vielleicht biegt er irgendwo ab.« Lorcan schaut über die Felder zu der Ansammlung kleiner Gebäude in der Ferne. »Vielleicht geht er zu einem dieser Bauernhäuser.«
»Aber
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