Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
ich dir gesagt habe. Alles, was du tun sollst.«
»Aber, Mama.« Seine Lippen beben.
»Geh!«, sagt sie laut. »Lass Papa und mich das mit der bösen Frau regeln.«
Ich sehe Morgan an und fühle abgrundtiefen Hass.
» Jetzt sofort, Ed.« Ihr Tonfall ist kalt und hartherzig. »Enttäusch mich nicht.«
Der kleine Junge nimmt sein Spielzeugschwert und stampft in die Küche davon. Einem Teddybären versetzt er dabei noch einen Tritt.
Blitzartig kommt mir der Gedanke, dass ich zum ersten Mal im Leben dazu fähig wäre, jemanden zu töten. Aber ein Schuss in den Kopf scheint mir im Moment ein viel zu leichter Tod für Morgan.
Als Ed fort ist, zieht sie die Pistole aus der Tasche.
»Wo ist Lorcan?«, frage ich.
»Er ist noch im Wagen«, meint Morgan. »Und du solltest deinen Arsch jetzt auch wieder dort hinbewegen, Geniver.«
»Damit du uns wieder wegbringen und endlich umlegen kannst?« Ich mache einen Schritt auf sie zu. Am liebsten würde ich losstürzen und ihr die Waffe aus der Hand schlagen. Vielleicht blufft sie ja nur mit den Patronen, und in diesem Moment würde ich dieses Risiko durchaus eingehen.
»Morgan, bitte.« Art tritt an meine Seite, bleibt aber stehen, als sie die Waffe auf ihn richtet.
»Bleib, wo du bist.« Sie richtet sich auf und meint zu mir: »Art gehört zu mir, Geniver. Er will dir nur helfen, weil du ihm leidtust. Aber mit dem Herzen ist er hier, bei mir und Ed.«
»Das bildest du dir ein«, blaffe ich zurück.
»Um Himmels willen, Morgan«, fleht Art. »Noch ist es nicht zu spät. Ich war doch dabei, mit O’Donnell, und kann der Polizei sagen, dass es ein Unfall war. Das hier kannst du nicht tun. Nicht Gen.«
»Ich kann aber auch nicht zulassen, dass sie Ed mitnimmt. Warum hast du sie überhaupt hierhergebracht, Art?«, zischt sie mit gebleckten Zähnen. »Das ist unser Zuhause. Sie hat hier nichts verloren.«
»Hör auf so zu reden, Morgan.« Art senkt die Stimme. »Du weißt, wie ich mich entschieden habe. Ich bleibe bei Gen.«
Mir dreht sich alles im Kopf. Wie kann Art nur so mit seiner Schwester sprechen? Wie ist es möglich, dass sie so für ihn empfindet? Wie ist es möglich, dass ich nicht die leiseste Ahnung von alldem hatte, obwohl ich die beiden schon so lange kenne?
»Oh, Art …« Morgan starrt ihn an, und ihr Mund zittert dabei. Mir kommt es fast vor, als hätte sie vergessen, dass ich auch noch im Raum bin. »Wir können Geniver nicht einfach laufen lassen, bei allem, was sie weiß …«
»Ich dachte, es spielt keine Rolle, ob ich weglaufe oder nicht«, werfe ich dazwischen. Morgan blickt zu mir. »Du hast doch schon gesagt, dass du mir Jared auf den Hals hetzen wirst.«
Morgan erstarrt. Ihr Blick ist voller Verachtung. »Das habe ich nicht gesagt«, behauptet sie. »Du verstehst das überhaupt nicht, Geniver. Du hast ja nicht die leiseste Ahnung von echter Liebe. Von Loyalität. Und Aufopferung.«
»Doch, doch … Ich verstehe sehr gut.« Ich muss an ihre vorige Unterhaltung denken. »Sogar mit Jared hast du darüber geredet, im Wagen. Wenn es so weit käme, sagtest du, dann könnte er das Geld auch von Bitsy bekommen. Denn genau darum ist es gegangen – dass du mich umbringen willst.«
Morgan schüttelt den Kopf.
»Die Einzelheiten spielen doch jetzt keine Rolle«, meint Art. »Morgan, begreif doch endlich. Du kommst damit nicht durch. Die Wahrheit ist raus.«
»Die Wahrheit ist eben nicht ›raus‹«, faucht sie. »Niemand außer Geniver und Lorcan weiß Bescheid. Außerdem, Ed ist vielleicht nicht mein leibliches Kind, aber er ist es auf jede andere Weise. Vor Gericht mag das nicht so leicht durchzusetzen sein, aber ich bin Eds Mutter. Und das wird uns niemand nehmen.«
Ich stehe an die Wand gelehnt. Hier inmitten von Eds Spielsachen kommt mir diese Unterhaltung über Gerichtsverfahren und Biologie so unwirklich vor. So sehr ich Morgan auch hasse, muss ich mir eingestehen, dass dies Eds Zuhause ist.
»Da muss es doch eine Lösung geben«, sage ich.
»Halt’s Maul«, schreit Morgan.
»Jetzt hör doch bitte zu.« Meine Stimme bebt. »Wenn sich alle jetzt mal beruhigen, dann finden wir vielleicht einen Weg, wie Ed mit uns allen zusammen sein kann.«
»Ich werde ihn mit niemandem teilen«, schreit Morgan. »Zum letzten Mal … Ich nehme Geniver jetzt mit hinaus und …«
»Nein«, sagen Art und ich gleichzeitig.
Morgan entsichert die Waffe. Hinter ihr taucht Ed plötzlich auf. Er späht aus der Küchentür, schuldbewusst und völlig verängstigt.
Weitere Kostenlose Bücher