Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
und mich im Fall ihres Todes umzubringen.
Morgans letzte Worte, »Er wird euch beide erwischen«, gingen mir lange nach, woben sich in meine Träume und rissen mich mit klopfendem Herzen aus dem Schlaf. Aber bis jetzt, ein halbes Jahr später, ist noch kein Killer aus dem Schatten aufgetaucht, und Jared selbst ist für die nächsten zehn Jahre sicher weggesperrt.
Art wurde des Mordes, später aber nur noch des Totschlags angeklagt. Lorcan und meine Aussagen stützten seine Schilderung der Ereignisse, wodurch das Strafmaß merklich reduziert wurde. Er ist aber noch immer im Gefängnis. Seither ist er ein völlig anderer Mensch – nicht nur aus Resignation. In seiner Häftlingskleidung, ohne seine schneidigen Anzüge und sein iPhone, scheint er geschrumpft, ein kleinerer Mensch, dem Schande anhaftet.
Trotz meiner Wut tut er mir leid. Er hat praktisch alles verloren – nicht nur seine Freiheit, sondern auch seine Ehe, sein Zuhause, seine Firma und seinen Ruf. Loxley Benson ist vom Aufsichtsrat übernommen worden, und Kyle hält das Geschäft am Laufen; ich bin mir allerdings nicht sicher, ob die Firma überleben wird. Die Informationen über Ed und die Inzestbeziehung zwischen Art und Morgan wurden nie an die Presse weitergegeben. Aus Rücksicht auf Ed habe ich Art nicht dafür angezeigt, dass er ihn mir weggenommen hat, sodass vieles vor Gericht gar nicht zur Sprache kam. Trotzdem sind Einzelheiten bekannt geworden, was zusammen mit Arts Verurteilung wegen Totschlags Loxley Benson schon die Hälfte der Kunden gekostet hat.
Kyle besucht Art jede Woche. Auch Tris und Perry sind ein paarmal bei ihm gewesen, aber die anderen Vorstände haben ihm den Rücken gekehrt. Man kann es ihnen nicht verübeln. Art verkraftet das allerdings nur schwer. Ich weiß, dass er die Strafe verdient hat – und ich bin noch oft wütend auf ihn. Es ist aber schwer, dauerhaft auf einen Menschen wütend zu sein, der so völlig vernichtet ist und so umfassend Reue zeigt. Und er ist wirklich am Boden zerstört. Lächeln sehe ich ihn nur, wenn ich Ed mitbringe.
Ed war meine größte Sorge – und ist mir die größte Hilfe dabei gewesen, dieses erste halbe Jahr zu überstehen. Während ich dies schreibe, spielt er mit einem Stock im Garten und schießt im Spiel auf die Blumen. Ich bin nicht glücklich darüber, dass sich sein Spiel so viel um Waffen dreht. Den Schuss selbst hatte er ja nicht gesehen, wohl aber gehört. Und er sah Morgan danach und weiß, dass sie – die acht Jahre lang seine Mutter war – tot ist. Die Kinderpsychologin meint, diese Beschäftigung mit Waffen sei wahrscheinlich eine ganz normale Entwicklungsphase. Wir haben Ed nicht erzählt, dass sein Vater Morgan erschossen hat. Noch braucht er das nicht zu wissen, aber ich fürchte, wenn er älter ist, wird man ihm diese Information irgendwann nicht mehr vorenthalten können. Vieles ist im Internet zu lesen – und das meiste davon falsch. Auch in den Zeitungsartikeln wird Art als Täter genannt, mit Überschriften wie: » Verhandlung – Guru wegen Totschlag vor Gericht«. Ed hat schon so viel verarbeiten müssen. Nicht nur den Verlust von Morgan und die Besuche im Gefängnis bei seinem Vater – bis zum Ausgang des DNA -Tests, der meine Version dann bestätigte, musste er auch noch ins Heim.
Nach ein paar Tagen durfte ich ihn aber mit nach Hause nehmen. Eine Woche lang sprach er kein Wort, und auch jetzt rollt er sich noch manchmal unter der Decke zusammen und weigert sich herauszukommen. Ich mache mir Sorgen, dass ihn nicht nur die Umstände von Morgans Tod belasten, sondern dass er auch die manisch-depressive Grundhaltung meines Vaters geerbt hat. Die Psychologin indessen macht mir Hoffnung. Ed ist seit ein paar Monaten bei ihr in Behandlung. Sie meint, dass er so bald wie möglich wieder zur Schule gehen soll. Das wird dann eine neue Schule für ihn sein, so wie er nun ein neues Zuhause hat. Ich habe mir das lange überlegt, aber nach Abwägung aller Vor- und Nachteile habe ich mich für einen kompletten Neuanfang entschieden.
Als Ed wieder zu reden anfing, frage er mich, wie er mich nennen soll. Die Kinderpsychologin erklärte ihm – in meiner Gegenwart –, ich sei seine leibliche Mama, aber bis jetzt hat er dieses Wort noch nicht benutzt. Womit ich leben kann. Ich will ihn zu nichts drängen.
Auch mit Hen versuche ich wieder ins Reine zu kommen. Ich finde immer noch, sie und Art hätten mir gleich von dem Geld erzählen können, aber nach allem, was sich
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