Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Lorcan nicht zu dieser Lüge gezwungen«, meint Art leise. »Er hat mitgespielt. Ich habe ihn bezahlt und …«
»Großer Gott, du bist genau wie Morgan. Geld hier, Geld da.«
Art schüttelt den Kopf. Ich schweige. Ich weiß, dass nicht Geld der Grund dafür war, dass er Ed weggegeben hat. Er würde das niemals zugeben, aber Morgan hat recht. Er hat unseren Sohn weggegeben, um sein Gesicht zu wahren, um seinen Status zu halten und um sich in seinem Geschäft zu verwirklichen.
Das waren seine Prioritäten.
Das ist der Mann, den ich geheiratet habe.
Das ist unsere Wahrheit.
Ich lehne mich zurück und starre hinauf in den Nachthimmel – er ist von dichten Wolken verhangen. Keine Sterne. Das Ortsschild von Shepton Longchamp kommt in Sicht. Weit ist es nicht mehr bis zu Morgans Haus.
»Und wie genau werden wir das anstellen?«, frage ich. »Morgan wird mich Ed nicht einfach so mitnehmen lassen – und was ist mit Lorcan?«
»Ich werde dir helfen, Ed in den Wagen zu bekommen. Und ich werde Lorcan zur Flucht verhelfen … Ihr werdet für eine Weile verschwinden müssen, bis ich hier alles geklärt habe.«
Ich starre ihn an. Wie will er das nur alles schaffen? »Meinst du das ernst?«
»Todernst«, entgegnet er. »Ich weiß jetzt, dass wir das Ganze nur so beenden können.« Er überlegt. »Liebst du Lorcan?«
Ich antworte nicht. Seine Finger krallen sich ins Lenkrad, aber er sagt nichts, und wir fahren weiter.
»Wenn ich Ed mitnehme, dann wird Morgan diesen Kerl schicken, um mich zu töten.«
»Jared?« Art nickt. »Deshalb musst du aus dem Land, bis ich das geregelt habe.«
Ich hole tief Luft. »Und was ist, wenn du das nicht regeln kannst?«
»Das werde ich schon.« Er macht wieder diesen entschlossenen Mund, den ich so gut kenne. Ich muss wieder an Ed denken.
Mein Gefühl sagt mir, das Art es ernst meint, dass er mich retten will … und dass ich Ed bekommen soll.
Art biegt erst rechts, dann links ab. Wir müssen gleich beim Haus sein.
»Du weißt, dass ich dich nie verletzen wollte, Gen«, sagt er. »Ich habe Ed nur alle paar Wochen gesehen. Wir sind nie irgendwo anders hingegangen, außer hier in der Gegend – in die kleinen Läden, zum Spielplatz. Es ist nicht so, wie du denkst … ich hatte hier keine zweite Familie.«
Ich beiße mir auf die Lippe. Wir fahren durch eine Straße mit lauter Doppelhäusern. Eine Reihe gemütlicher Wohnzimmer huscht vorbei … eine Familie um einen Tisch … zwei kleine Kinder, die auf einem Sofa hüpfen … ein Fernseher, der ein Ehepaar in identischen Lehnstühlen anplärrt.
Das gewöhnliche Leben.
Das ist für mich verloren, was auch geschieht.
Wenn ich Ed mitnehme – und Art sich irrt und nicht mit Jared fertigwird und Morgan ihn mir auf den Hals hetzt –, dann werde ich mich für den Rest meines Lebens verstecken müssen. Selbst wenn ich die Polizei davon überzeugen kann, dass Ed zu mir gehört und dass ich Bernard nicht ermordet habe, werde ich alles verlieren, das mir je lieb und teuer war … mein Zuhause, meine Familie, meine Freunde.
Und Lorcan … angenommen, er wird das alles hier überleben. Wird er denn bereit sein, alles aufzugeben und mitzukommen, mit mir und einem Kind, zu dem er keinerlei Beziehung hat? Wir kennen uns ja kaum. Und was ist mit seinem Leben? Seinem Sohn? Nein, das ist alles aussichtslos.
Ich bin so sehr in Gedanken, dass ich erschrecke, als wir am Haus ankommen. Art fährt langsam und drückt auf die Fernbedienung, die das Tor öffnet. Wir halten vor dem Haus. Wir springen aus dem Wagen und laufen zur Haustür. Er öffnet sie, und ich folge ihm nach drinnen. In der Halle komme ich wieder an der Vase vorbei, und nun weiß ich, warum sie mir so vertraut vorkommt. Es ist dieselbe, die uns Morgan damals nach Oxford geschickt hat, als ich hochschwanger war. Sie kam an mit einem herrlichen Strauß weißer Rosen, und ich weiß noch, wie sehr mich ihre Aufmerksamkeit berührt hatte, ebenso wie neulich, als sie mir das Armband schenkte. Ich schüttele den Kopf; wie viele Jahre liegen zwischen diesen Augenblicken, und wie viele Lügen muss Art mir in dieser Zeit erzählt haben.
Art reißt Türen auf und ruft nach Ed und Kelly.
Sie kommt aus der Küche, das Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Als sie Art sieht, lächelt sie.
»Tagchen«, sagt sie. »Das war ganz schön heavy vorhin. Ed ist aufgewacht, und ich habe ihn nicht wieder ins Bett kriegen können. Er ist im Spielz…« Sie entdeckt mich und das Lächeln verfliegt.
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