Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
»Was ist …«
»Du musst hier fort.« Er drückt ihr ein Bündel Banknoten in die Hand. »Schnapp deine Tasche und verschwinde. Ist sonst noch jemand hier?«
Kelly starrt ihn an, und ihr bleibt der Mund offen stehen.
»Kelly?«
»Nein, sonst ist niemand da. Nur ich und Ed. Ich habe auf Mor…«
»Los jetzt!« Art schüttelt sie leicht am Arm. »Geh jetzt. Schnell.«
Kelly sieht mich noch einmal an. »Aber ich kann doch …«
»Raus!«, brüllt Art.
Kelly zwinkert kurz und geht dann ein paar Schritte rückwärts. Sie hebt am Fuß der Treppe eine Tasche und einen Mantel auf, starrt noch einmal zwischen Art und mir hin und her und huscht dann zur Tür hinaus.
Art marschiert durch die Küche zu der Tür, die zur Garage führt. Morgans blonde Perücke liegt noch immer auf der Arbeitsplatte. Ich muss an Charlotte West und meinen Verdacht gegen sie denken. Wie kann man sich nur so irren. Sie ist wohl einfach eine traurige Frau, die glaubt, da sei etwas in meinem Leben, dem sie nacheifern müsse – von meinen Büchern, meiner Frisur und meiner Handtasche bis zu meinem Mann. Genau wie ich hat sie keine Ahnung, wer er wirklich ist.
Ich folge Art ins Spielzimmer.
Ein großer Raum – und ganz anders als der Rest des Hauses, mit hellblau gestrichenen Wänden und langen Vorhängen neben der Doppeltür zur Veranda, die mit Spielzeugsoldaten dekoriert sind. Überall liegt Spielzeug – in der Ecke ist eine Modelleisenbahn aufgebaut, es gibt eine Kiste voller Actionfiguren und Plastikroboter und eine ganze Regalwand mit Spielen und Puzzles. In einer anderen Ecke steht ein riesiger Fernseher, ihm gegenüber ein Spielhaus aus Holz mit Eingangstür und einem winzigen Fenster.
Art geht sofort zum Spielhaus. »Ed?«
»Rah!« Ed stürmt zur Tür heraus. Er ist angespannt und hält ein kleines Spielzeugschwert in der Hand. Mich bemerkt er nicht. »Papa!« Sein Gesicht entspannt sich. Er lässt das Schwert fallen und wirft sich Art in die Arme.
»Hey, Kumpel.« Art hebt den Jungen hoch und drückt ihn an sich. »Du solltest längst im Bett sein.«
»Das war ich auch, aber Mama hat mich zu früh ins Bett geschickt«, sagt Ed. »Dann bin ich aufgewacht.«
Ich stehe in der Tür und sehe zu, wie Ed mit seinen Kinderhänden Arts Haar zaust und sich an seinen Hals schmiegt. Wieder bin ich von einer Liebe erfüllt, die ich nicht für möglich gehalten hätte. Ganz egal, was ich dafür aufgeben muss. Ed kann ich nicht aufgeben.
Das ist undenkbar.
Dann sieht er auf und entdeckt mich bei der Tür.
»Papa, das ist sie«, flüstert er laut und reißt vor Angst weit die Augen auf.
Art dreht sich zu mir um. »Das ist …« Ihm bricht die Stimme.
»Wir werden zusammen eine Reise machen, Ed«, sage ich.
Er schüttelt den Kopf. Draußen höre ich Reifen auf dem Kies knirschen. Morgan ist hier.
Art deutet auf die Terrassentür. »Hier kommst du auch zur Vordertür. Nimm Ed. Schnell.«
Ich gehe auf sie zu, aber Ed klammert sich fester an Art.
»Nein.« Sein Mund formt wieder diese entschlossene Linie, die mir auch schon auf dem Spielplatz der Schule aufgefallen war. Die Ähnlichkeit zwischen ihm und Art ist jetzt noch ausgeprägter. »Nein!«
»Sschh.« Art scheint verzweifelt.
Ich sehe mich um. Das muss Morgan gehört haben. Jede Sekunde muss sie hier sein. Ich greife nach Eds Arm. Er tritt mit dem nackten Fuß nach mir und klemmt ihn dann um Arts Hüfte. Art versucht, den Jungen abzusetzen, aber immer, wenn er einen Fuß gelöst hat, klammert sich Ed mit dem andern wieder an. Verzweifelt trete ich zurück.
Für einen Augenblick sehe ich uns wie von außerhalb – die Parodie auf eine glückliche Familie.
»Wo ist Mama?«, schreit Ed.
»Mama ist hier, Baby.« Die Tür schlägt auf. Da steht Morgan. Sie lächelt Ed an, aber ihre Augen sind eiskalt.
Ed zappelt nun und möchte von Arts Arm herunter. Widerstrebend setzt Art ihn auf dem Boden ab, hält ihn aber am Arm. »Gen, bring ihn nach draußen.«
»Nein.« Morgan klopft auf die Tasche ihres cremefarbenen Mantels, wo sich die Pistole abzeichnet. »Eben frisch geladen, Art«, sagt sie. »Zwing mich nicht, sie vor dem Kind zu benutzen.«
Mir wird die Brust eng. »Wo ist Lorcan?«
Morgan achtet nicht auf mich. Nach einem kurzen Moment lässt Art Eds Hand los. Der Junge fegt zu Morgan hinüber, sucht hinter ihr Schutz und lugt seitlich zu mir herüber.
»Geh in die Küche, Ed«, befiehlt Morgan. »Sei mein tapferer Ritter, wie wir das besprochen haben. Und vergiss nicht, was
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