Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
Bettdecke. »Kommst du?«
Ich steige ins Bett und ziehe die warmen Socken aus. Vielleicht habe ich mir das Knarren ja auch nur eingebildet. Nervös genug bin ich jedenfalls dafür.
Art knipst das Licht aus und lässt sich mit einem Seufzer ins Kissen sinken.
»Art?«
»Mmm?«
Ich war schon ein paar Monate schwanger und las alles über alternative Geburtsmethoden, was ich in die Finger bekam, als ich eines Tages auf die Fair-Angel-Geburtsklinik stieß. Wir fuhren hin und lernten den Arzt für Geburtshilfe kennen, der mich von nun an in der Schwangerschaft und bei der Geburt betreuen sollte.
»Hast du eigentlich einmal unabhängige Informationen über Dr. Rodriguez eingeholt – du weißt, woher er kommt, seine Qualifikation, sein Umfeld?«
»Nein«, meint Art nach einer Sekunde. »Warum?«
»Nun, ich frage mich bloß, was wir damals eigentlich über ihn wussten …«
Art schnaubt abfällig und kehrt mir den Rücken zu. »Rodriguez hatte einen eindrucksvollen Lebenslauf und so viel Empfehlungen, dass sie ihm schon hinten wieder rauskamen, Gen. Gleich beim ersten Termin hat er uns das alles gezeigt und dazu ein ganzes Bündel von Dankesschreiben. Und auch das Fair Angel hatte einen ausgezeichneten Ruf.«
»Aber …«
»Gen, lass es.« Art wartet kurz, dreht sich dann herüber und drückt mir einen Kuss auf die Wange. »Gute Nacht.«
»Nacht.«
Nur Sekunden später geht sein Atem regelmäßig und tief. Es dauert lange, bis auch ich Schlaf finde.
Ich habe die Faust von Langes Elend angestarrt. Mir ist noch ein bisschen Pipi gekommen. Zuerst war es warm, dann kalt. Ich konnte es nicht aufhalten.
Ich habe nach unten gesehen. Der Regen hat mich richtig am Hals gepiekt. Lauf, habe ich gedacht. Lauf weg. Aber sie haben mich nicht zum Zaun durchgelassen.
»Du bist ein Versager, Schweinegesicht.« Die Finger der Hand von Langes Elend, die keine Faust ist, haben mir am Arm wehgetan.
Zahnlücke hat meinen anderen Arm genommen, ihn gedrückt und die Haut verdreht.
Ich habe laut schreien und sie damit verjagen wollen, aber meine Schreie sind mir im Hals stecken geblieben. Langes Elend ist so dicht herangekommen, dass ich seinen warmen Atem in meinem Ohr spüren konnte. »Du bist ein hässlicher Versager mit Schweinegesicht.«
»Ein verdammter Versager«, hat Zahnlücke gesagt.
Ich habe gewusst, dass das ein schlimmes Wort ist. Ich habe auf die nassen Steine neben meinen Füßen geschaut und darauf gewartet, dass es vorbei ist. Die Faust hat in meinen Bauch geschlagen. Das hat wehgetan. Ich habe die Augen zugemacht. Noch ein Schlag. Und noch einer. Dann hat es aufgehört.
Ich habe die Luft angehalten. Die Schuhe von Langes Elend haben sich weggedreht. Die Schuhe von Zahnlücke haben sich weggedreht. Ich habe meine Hose angeschaut. Da war vorne in der Mitte ein kleiner dunkler Fleck, sodass jeder gleich sehen konnte, dass ich Pipi gemacht habe.
Und das hat sich nass und klebrig und kalt angefühlt da unten.
Ich habe die Hand darübergelegt, damit es niemand sieht. Dann bin ich wieder unter dem Zaun durchgekrochen.
Kapitel 5
Ich schlafe noch, als Morgan am nächsten Morgen ankommt. Mit kurzen Stößen der Türklingel treibt sie mich aus dem Bett. Ich schnappe mir eine Jacke vom Stuhl, ziehe sie über den Pyjama und wanke die Treppe hinunter, während ich mir den Schlaf aus den Augen reibe.
Ich kann ihren schlanken Umriss durch die Glasfläche der Haustür schon erkennen. Unwillkürlich sehe ich im Flur in den Spiegel. Mein Haar steht in alle Richtungen, und die Schminke von gestern ist unter den Augen verschmiert. Ich wische mir halbherzig mit den Fingern übers Gesicht und fahre mit der Hand durchs Haar, um es irgendwie zu bändigen.
Es klingelt noch einmal.
Es ist hoffnungslos. Was ich auch anstelle, mit ihr werde ich es nie aufnehmen können. Seufzend öffne ich die Tür.
Für jemanden, der eben einen transatlantischen Flug hinter sich hat, sieht Morgan fabelhaft aus. Sie trägt ein auf Figur geschnittenes schwarzes Kostüm mit echtem Pelzbesatz, schwarz- und cremefarbene Pumps mit Kitten-Heel-Absätzen und eine lederne Clutch. Ihr glattes, dunkles Haar bildet am Abschluss eine wie mit dem Lineal gezogene Linie. Neben ihr stehen zwei riesige Koffer auf der Schwelle.
»Gen, Liebes«, gurrt sie und mustert mich von oben bis unten. »Du siehst fabelhaft aus.«
Vom Lügen versteht sie nicht viel. Ich sehe, dass sie, schon während sie spricht, vor Schreck über mein Aussehen die Augen aufreißt. Aber so
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