Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
endlich lachen, und dann schleppt sie ihn fort zur Tanzfläche.
Als ich wieder ins Wohnzimmer zurückkomme, ist Mitternacht, und die Hälfte der Paare denkt daran, ihre Babysitter zu erlösen. Rob unterhält sich mit Boris und seiner Frau, und Art plaudert und lacht mit Hen, die ihn ganz offensichtlich zum Tanzen überreden will. Da hat sie keine Chance. Art würde nicht einmal für Geld tanzen. Ich muss schmunzeln. Wenn es um mich geht, mag Art auf sie hören, aber wirklich verstehen tut sie ihn nicht.
Er winkt mich zu ihnen, aber bevor ich auch nur einen Schritt mache, kommt Tris, schnappt mich und dreht mich im Kreis. Wir tanzen eine Weile zusammen. Jetzt steckt wieder mein iPod im Dock, und die Playlist gibt sich keine Blöße – die Motown-Serie hat noch nie versagt. Ich knipse ein paar Fotos von Art mit Hen, dann mit ein paar anderen Leuten: Sandrine und John; Siena, die ohne den jungen Mann aus dem Hauswirtschaftsraum aufgetaucht ist; und Boris und Dan mit ihren Frauen. Art lächelt auf allen Bildern.
Am Ende lasse ich mich aufs Sofa fallen. Viele tanzen immer noch, aber es wird nun merklich lichter. Art verabschiedet Sandrine und John.
»Zufrieden mit Ihrer Party?«
Ich blicke auf. Lorcan lächelt. Er setzt sich neben mich und fährt sich mit der Hand durchs Haar.
»Na klar.« Ich lächle zurück.
Lorcan runzelt die Stirn. »Ach ja? Ich war mir da nicht so sicher.«
Wir starren uns an. Sein Blick hat etwas Wissendes … Verborgenes … Herausforderndes. Ich kann mir gut vorstellen, wie es dazu kommen konnte, dass er mit der Frau eines Kunden geschlafen hat.
»Mir geht’s bestens«, beharre ich. »Außerdem ist es ja eigentlich Arts Party.«
Wir sehen beide zu Art hinüber, der immer noch plaudert.
»Art sagt, du seist Schriftstellerin.«
»Hat er?« Das überrascht mich wirklich. Zwei Jahre lang hat er mich nach Beths Tod gedrängt, wieder mit dem Schreiben anzufangen, bevor er es aufgegeben hat. Ich kann mich nicht einmal erinnern, wann er das Thema zum letzten Mal angeschnitten hat.
»Und woran arbeitest du im Augenblick?«, fragt Lorcan.
»An nichts Konkretem.« Himmel, seit einer Ewigkeit habe ich das nicht mehr tun müssen – außerhalb meiner Schreibkurse über meine Arbeit sprechen. Seit Jahren fragt mich keiner mehr danach. Ich starre für einen Moment auf den Boden und überlege, wie ich das Thema wechseln kann.
»Und warum?«
Ich blicke auf. Lorcan schaut mich forschend an, sein Interesse wirkt ungekünstelt und echt. Er hat helle Haut und feine Fältchen auf der Stirn. Die Augen sind wasserblau, das Kinn stoppelig. Ich nehme das alles wahr, ohne darauf zu achten. Ich lege mir noch immer eine Antwort zurecht. Und dann erzähle ich ihm ohne jede Vorwarnung die Wahrheit.
»Seit mein Baby gestorben ist, habe ich nicht mehr schreiben können.«
Er nickt langsam. »Das tut mir leid. Ich wusste das nicht«, sagt er. »Art und ich haben sehr lange nicht miteinander gesprochen.« Er überlegt. »Ich kann verstehen, warum du mit dem Schreiben aufgehört hast.«
»Das kannst du?«
Er nickt. »Sicher. Durch so etwas wird man doch ein ganz anderer Mensch, und dann muss man erst einmal wieder herausfinden, wer man überhaupt ist.«
»Und das bringt dann mehr als genug Kreativität mit sich, um weiterzumachen, meinst du?« Ich lache leise. »Möglicherweise. Bei mir war es außerdem so, dass ich lange Zeit über sie nachgedacht habe.«
»Wie hieß sie denn?«
»Hey, Gen, wir packen’s.« Sue und Paul bauen sich vor uns auf. Ich erschrecke ein wenig. Ich hatte vergessen, dass die Party um uns herum noch in Gang ist. Ich stehe auf und küsse die beiden zum Abschied. Dann kommen mehr Leute herüber. Sue und Paul haben eine zweite Welle von Paaren in Gang gesetzt, die sich unter Erklärungen über die fortgeschrittene Zeit und wartende Babysitter verabschieden. Als ich wieder zum Sofa komme, ist es halb zwei und wir sind nur noch so etwa zu zwölft. Tris und Boris – beide ziemlich hinüber – tanzen nun in der Mitte des Raumes zu »Vogue«. Morgan und Art unterhalten sich bei der Tür mit ein paar Leuten aus Arts Büro. Lorcan sitzt immer noch auf dem Sofa, hat eine Bierflasche in der Hand und redet mit Boris’ Frau. Als ich mich dazusetze, funkelt sie mich böse an.
»Alles in Ordnung, Tanya?«
»Ja, außer Schu-ge, die Füßen wä tun.« Sie sieht zu Boris hinüber und seufzt. »Wirr müssen gän.«
»Wirklich?«, sage ich. »Wie schade.«
Ich erhasche Lorcans Blick. Er hat
Weitere Kostenlose Bücher