Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
starre ihn an. Nur wenige, die Art sehr gut kennen, würden ihn als Menschen beschreiben, dem Geld wenig bedeutet, und doch stimmt es. Art hat reich werden wollen, um materielle Werte anzuhäufen. Klar, er hat einen Mercedes, fährt aber kaum damit. Und wir besitzen dieses Haus – aber es ist bestimmt nicht mit Statussymbolen vollgestopft.
»Du hast recht«, antworte ich. »Manchmal frage ich mich, warum Art so besessen ist, wo ihm doch das Reichsein so wenig bedeutet.«
Art eilt, während ich das sage, mit einem Geschirrtuch in der Hand zur Tür herein. Morgan folgt ihm auf dem Fuß, die Lippen verärgert zusammengekniffen. Sie streicht ihren Rock glatt. Ich habe ein minimal schlechtes Gewissen, weil ich ihr nicht behilflich bin. Aber der Fleck ist auf dem dunkelroten Kleid wirklich kaum zu sehen.
»Kontrolle.«
»Wie bitte?« Ich drehe mich wieder Lorcan zu.
»Kontrolle«, wiederholt er. »Ihretwegen ist Art besessen. Er möchte die totale Gewalt über seine Umgebung. Kein Boss, der ihm sagt, was zu tun ist. Kein Problem, das er nicht lösen kann. Kein Aspekt seines Lebens, den er nicht völlig unter seiner Kontrolle hat.«
Ich starre ihn an. Genau so ist Art.
»Und Morgan ist auf ihre Weise ganz ähnlich«, fährt Lorcan fort. »Nur ist sie komplizierter.«
»Und sehr schön.« Ich sehe Morgan an. Sie plaudert jetzt wieder mit den Leuten aus Arts Büro, während Art mit dem ins Geschirrtuch eingewickelten Weinglas in der Hand den betrunkenen Kunden zur Haustür bugsiert.
Auch von hinten macht Morgan eine elegante Figur mit ihrem dunklen, glänzenden Haar, das sich über das maßgeschneiderte Couturekleid herabschlängelt. Sie trägt noch immer ihre hochhackigen, schlanken Schuhe. Ich hätte solche Schuhe schon vor Stunden von den Füßen gestreift.
»Schön – mag sein.« Lorcan zieht die Nase kraus. »Aber sexy ist sie bestimmt nicht.«
»Nein?« Etwas in mir reagiert befriedigt darauf, dass er sie nicht sexy findet.
Lorcan schüttelt den Kopf. »Kein Arsch.«
Ich starre Morgan an. Ihr Kleid verjüngt sich in der Taille ein wenig und schwingt dann über ihren schmalen Hüften wieder minimal aus, aber Lorcan hat recht. Ihr Hintern darunter ist flach.
Ich gieße mir Wein nach. Jetzt, wo die Party beinahe vorbei ist, bin ich lockerer und wohl auch ein klein bisschen angesäuselt.
»Dann stehst du auf Ärsche?« Ich muss über meine Unverfrorenheit kichern.
Lorcan grinst und schämt sich keineswegs. »Aber sicher«, meint er.
Hen und Rob tauchen vor uns auf und sagen, sie seien spät dran für Nats Babysitter, und da fällt mir plötzlich auf, dass ich während der letzten Stunde kein einziges Mal an Beth gedacht habe. Ich drücke Hen fest an mich, gebe Rob einen Schmatz auf die Wange und wende mich wieder Lorcan zu. Da er mich offenbar rein instinktiv so gut versteht, erwäge ich kurz, ihm von Lucy O’Donnell und ihren Behauptungen zu erzählen. Aber dann setzt doch der gesunde Menschenverstand wieder ein, und mir wird klar, wie lächerlich es wäre, einem Fremden derart Privates anzuvertrauen, und ich halte den Mund. Einen Augenblick später steht Art vor uns.
»Alle brechen auf, Gen«, sagt er.
Jetzt sieht er wieder müde aus, als hätte er die Party über die Bühne gebracht und wolle jetzt nur noch ins Bett. Ich stehe auf mit einem schlechten Gewissen, weil ich nicht so viel Netzwerkarbeit mit den Kunden gemacht habe wie erwünscht, und lege ihm den Arm um die Taille. Er küsst meine Wange.
Lorcan erhebt sich ebenfalls und kippt sein Bier hinunter. »Ich sollte auch gehen.«
Art schüttelt den Kopf. »So habe ich das nicht gemeint …«
»Ich muss gleich morgen früh Cal abholen«, meint Lorcan grinsend. »Das ist mein Sohn«, erklärt er. »Aber vielleicht schaue ich ja mal wieder vorbei?«
»Na klar.« Ich sehe Art an. Er schweigt. Verlegen plaudere ich weiter. »Bist du denn länger in der Gegend?«
»Für ein paar Monate.« Er antwortet mir, sieht dabei aber Art erwartungsvoll an.
Noch eine peinliche Pause.
»Prima.« Art ringt sich ein Lächeln ab. »Wie du sagst, wir sollten uns mal wieder treffen.«
Lorcan nickt und geht. Mir wird klar, dass ich nicht einmal weiß, wo er im Augenblick wohnt, was er arbeitet, und dass ich auch die sonst üblichen Smalltalk-Schnipsel nicht erfahren habe.
Beim allgemeinen Aufbruch wird es kurz noch einmal lebhaft, dann ist das Haus leer. Endlich. Art verzieht sich sofort ins Bett, sodass nur Morgan und ich übrig bleiben.
Wir blicken uns im
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