Seit du tot bist: Thriller (German Edition)
passiert ist.« Seine Stimme ist ein Flüstern, pure Drohung.
Ich deute ein Nicken an.
»Gut …« Die Hand des Mannes umklammert den Memorystick. »Dann hör auf, in der Vergangenheit herumzuwühlen, sonst passiert dir dasselbe.«
So habe ich mich an Langes Elend und Zahnlücke gerächt.
Auf dem Weg zur Schule hab ich mich hinter dem großen Baum versteckt, hab meinen Schulpullover genommen und vorne Dreck drauf geschmiert, dann bin ich mit meinem Schuh in Dreck getreten und auf der Rückseite des Pullovers rumgetrampelt. Es war ein bisschen verwischt, aber man konnte sehen, dass es ein Fußabdruck ist, so wie damals, als ich noch ganz klein war und wir mit den Fingern gemalt haben. Ich hab das Gesicht verzogen, so als würde ich versuchen, nicht zu weinen, und Miss Evans gesagt, dass Langes Elend und Zahnlücke mich auf dem Weg zur Schule umgeschubst haben und auf meinem Rücken rumgetrampelt sind.
Es war gut, dass Langes Elend und Zahnlücke richtig Ärger bekommen haben. Und das Beste war, als ich nach Hause kam. Mama hat gesagt, dass ich sehr clever bin und dass dies ein guter Anfang ist, um den Umgang mit bösen Menschen zu üben. Dass ich aber nicht erwarten kann, dass die Lehrer alle Probleme für mich lösen, und ich mir Möglichkeiten ausdenken muss, mich an Leuten so zu rächen, dass es sie wirklich verletzt und sie nicht nur ausgeschimpft werden. Sie hat gesagt, nur so wäre es fair, denn wenn ein Mensch ein Auge gibt, muss der andere das auch. Ich glaube, sie hat Augen gesagt. Auf jeden Fall hat sie mir ein paar Extrasüßigkeiten gegeben. Damals mochte ich dieses Fruchtgummi in Schlangenform, aber jetzt denke ich, dass es Süßigkeiten für Babys sind, obwohl ich sie immer noch essen würde, wenn ich welche hätte.
Mama hat gesagt, ich soll nicht zu viele Süßigkeiten essen, weil man dann krank werden kann. Ich hab mir gewünscht, dass ich zurückgehen und Langes Elend und Zahnlücke zwingen kann, so viele Süßigkeiten zu essen, bis sie krank sind. Dann ist mir eingefallen, dass Zahnlücke eine Brille trägt und dass ich sie ihm gern wegnehmen und in ganz kleine Stücke zerbrechen würde. Die Stücke würde ich dann unter die Süßigkeiten mischen und ihnen das zu essen geben. Ich hab mir vorgestellt, dass die Glasstücke in die Kehle schneiden und es richtig wehtut. Das wäre so gut, weil sie denken würden, ich sei nett zu ihnen, und dann merken würden, dass es nur darum ging, sie krank zu machen, ha-ha-ha.
Kapitel 14
Der Mann stößt mich weg und rennt davon, den Memorystick in der Hand. Ich will mich bewegen, doch Schock und Angst lassen mich wie angewurzelt dastehen. Der Mann verschwindet rechts um die Ecke. Keuchend stoße ich die Luft aus. Versuche, mich zu konzentrieren: Lorcan steht ganz in der Nähe und wartet auf mich. Ich muss zu ihm. Ich zwinge mich, die Straße zu überqueren. Meine Beine sind schwer wie Blei, und ich zittere, als ich die andere Seite erreiche, doch ich gehe weiter, setze vorsichtig einen Fuß vor den anderen. Als ich links um die Ecke biege, sehe ich Lorcan gegen seinen Audi gelehnt. Er entdeckt mich und eilt mir entgegen.
»Gen, was ist passiert?«, fragt er. »Was hat Art gesagt?«
Ich öffne den Mund, kann aber nicht sprechen.
»Gen?« Seine Stimme klingt eindringlich. »Geht’s dir gut?«
Ich schüttle den Kopf.
»Steig in den Wagen.« Er legt mir den Arm um die Schultern und führt mich zu seinem Auto. Als ich auf den Beifahrersitz krieche, merke ich, dass meine Hände noch immer zittern. Ich verstecke sie in den Hosentaschen.
»Art hat alles abgestritten«, erkläre ich. »Er wollte den Film auf dem Memorystick sehen, aber ich bin nach draußen gegangen, und dieser Mann – dieser riesige Kerl – hat mich überfallen.«
Lorcans Finger umklammern das Steuer. »Um Gottes willen, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Das war kein Zufall!« Meine Stimme bebt vor Angst. »Er wusste, wer ich war. Er hat den Memorystick mitgenommen. Und er hat mir gedroht.«
»Was hat er gesagt?«
Während ich es ihm erzähle, arbeitet mein Verstand auf Hochtouren und versucht, alles, was ich weiß, zusammenzufügen.
»Gen, das ist schlimm.« Lorcan sieht mich kurz an. Sein Gesichtsausdruck ist sorgenvoll. »Rodriguez muss diesen Mann geschickt haben, was bedeutet, dass er weiß, was wir mitgenommen haben, und dass er uns beobachtet … er muss dir gefolgt sein … oder aber …«
Ich schweige. Er meint: Oder Art hat den Mann geschickt. Hätte Art Zeit gehabt, das zu
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