Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
Vom Netzwerk:
farbenfrohen, übermäßig geheizten Haus, dessen Zimmer allesamt mit Fernsehern ausgestattet waren und das so anders war als mein langweiliges zugiges Zuhause.
    Sally hatte sich nicht verändert, das hätte ich erkennen müssen, wenn ich es gewollt hätte. Als Gina zum Abendessen Spaghetti carbonara auftischte, führte sie sich auf, als handelte es sich dabei um Körperverletzung , »du weißt verdammt noch mal genau, dass ich keine Kohlehydrate esse!«, bis ihre Mutter aufgab und davonschlurfte, um ihr einen Salat zu machen. Ihr Vater, ein stiller, verschlossener Typ, ließ einfach alles geschehen, als wäre er immun dagegen. Heute frage ich mich, ob er nicht ein wenig depressiv war und einige von Sallys Problemen von seiner Seite kamen. Ich saß da, rutschte unruhig auf meinem Stuhl herum und wusste nicht, wo ich hinschauen sollte – etwas Derartiges hätte es in unserem Haus nie gegeben, es wäre der Gipfel schlechten Benehmens gewesen –, aber vielleicht hatte das auch sein Gutes, die Gefühle wurden herausgelassen und ausgelebt und nicht unter den spießbürgerlichen Teppich gekehrt.
    »Wie läuft es mit Shaun?«, fragte ich sie, als wir uns in ihrem Zimmer mit einer Flasche Wein eingenistet hatten, die sie lässig aus dem Küchenschrank hatte mitgehen lassen. Diesmal war ich entschlossen, mich nicht zu blamieren und all die richtigen Fragen zu stellen und dann als wissende und erfahrene Frau zu antworten.
    »Gut, ja«, sagte sie ohne rechte Überzeugung dahinter.
    »Hast du ihn deinen Eltern schon vorgestellt?«
    »Du liebe Güte, nein!«, erwiderte sie, und es erfüllte mich mit Stolz, dass ich als Erste hierherkam: Es war eine von Sallys Spezialbegabungen, Dreierkonstellationen aus dem Nichts zu zaubern. »Es macht einfach Spaß, weißt du?«, ergänzte sie in einem Ton, der einen Schatten darauf warf. Und ich fragte mich natürlich, warum sie sich die Mühe gemacht hatte, ihn dazu zu bringen, sich Hals über Kopf in sie zu verlieben, wenn ihre Gefühle so neutral waren. »Was ist mit dir?«
    »Nichts, seit Matt keiner mehr«, antwortete ich, grundlos errötend.
    »Na, so ganz stimmt das ja wohl nicht«, kicherte sie und stupste mich in die Rippen. Über James und mich zu lachen, so weit war ich noch nicht: Aber ich verzog leicht die Mundwinkel in der Hoffnung, sie würde es dabei bewenden lassen. »Hast du immer noch nichts von ihm gehört?«, erkundigte sie sich mit schräg gelegtem Kopf und wandte mir ihre volle Aufmerksamkeit zu.
    »Nein«, sagte ich und zog mich in mein Schneckenhaus zurück. Das war eine so zarte, so private Angelegenheit. Ich verstand meine Gefühle selbst nicht und wäre, selbst wenn ich es gewollt hätte, nicht annähernd in der Lage gewesen, sie zu artikulieren.
    »Du solltest ihn einfach anrufen.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Warum nicht?«
    »Ich kann einfach nicht.«
    »Doch, das kannst du«, beharrte sie und nahm spielerisch den Hörer in ihrem Zimmer ab.
    »Nein, Sally, lass das«, sagte ich panisch. Sie legte den Hörer wieder auf und starrte mich so lange an, bis ich einknickte. »Ich komme mir einfach wie ein Idiot vor. Schließlich habe ich immer schon gewusst, dass seine Gefühle für mich nicht die gleichen sind wie meine für ihn. Ich hätte das behalten sollen, was wir hatten, und es nicht aufs Spiel setzen dürfen, indem ich zu einer weiteren Kerbe in seinem blöden Bettpfosten wurde.«
    »Aber du glaubtest, ihn zu lieben.«
    Ich sagte nichts. Es war noch nicht Vergangenheit, doch das wollte ich nicht preisgeben.
    »Ich weiß, das hört sich jetzt absolut armselig an, aber ich bin einfach nicht der Typ Mädchen, für den er je so empfinden würde.« Nicht wie du, hätte ich ergänzen können. »Das kann man jemandem wie dir nur schwer erklären …«
    »Jemandem wie mir?«, sagte Sally mit einem hysterischen Lachen, obwohl sie genau wusste, wie ich es meinte. Wenn ich ihn doch nur nicht so sehr vermissen würde, wenn da nicht dieses ständige wilde Pochen wäre, eine Mischung aus Verlust und Angst, was ich als Nächstes von ihm hören würde.
    »Lass uns über was anderes reden«, warf ich rasch ein.
    »Okay, wenn du das wirklich möchtest«, sagte sie, beugte sich zu mir und schloss mich spontan in ihre Arme. »Aber wir werden das schon richten. Du kannst nicht mit einem solchen Gefühl herumlaufen.«
    Wie getröstet ich mich fühlte, wie getragen. Es gefiel mir, dass sie mein Problem zu ihrem machte. Geteiltes Leid ist eben doch halbes Leid. Mir kam nicht in den

Weitere Kostenlose Bücher