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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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aller auf sie gerichteten Blicke zurückweisen – eine unglaubliche Haltung für jemand, der noch so klein ist. »Madeline war unser Sonnenschein, und ich weiß, dass sie in Sallys viel zu kurzem Leben das ist, worauf sie am meisten stolz war.« Er hält inne, zu aufgewühlt, um fortzufahren. »Meine Frau war einzigartig, ein Mensch von großer innerer und äußerer Schönheit. Ich werde ihren Witz, ihre Lebhaftigkeit und ihren scharfen Verstand nie vergessen. Sie ließ keine Chance ungenutzt, ließ mir nie etwas durchgehen, und ich hoffe, sie wird weiterhin von dort, wo sie jetzt ist, über uns wachen. Ich glaube, das wird sie, denn es ist undenkbar, dass ein so aufgeweckter und fröhlicher Mensch wie sie sich einfach in Luft auflösen kann. Und mir bleibt nichts anderes übrig, ich kann nur versprechen, dass sie in Madeline und mir weiterleben wird, dass wir in ihrem Sinne weiterleben werden. Sie wird niemals vergessen sein. Meine geliebte … geliebte Frau.«
    Dabei richtet er seinen Blick auf den Sarg, führt seine Fingerkuppen an seine Lippen und kehrt dann an seinen Platz neben seiner Tochter zurück. Eine kurze egozentrische Sekunde lang frage ich mich, ob mich jemals jemand so lieben wird, wie er Sally liebt, und so um mich trauert, wie er um sie trauert. Und dennoch habe ich ihn keine einzige Träne vergießen sehen.
    Was man von mir nicht sagen kann. Sally ist für mich jetzt wirklich und wahrhaftig gegenwärtig, und den Rest der Trauerfeier verbringe ich schluchzend, mein Gesicht ist tränenüberströmt und meine Handtasche voller durchweichter Taschentücher. Die Totenrede ihres Vaters ist gleichermaßen herzzerreißend, Erinnerungen an ihre Kindheit runden Williams Bild von ihr als Ehefrau und Mutter ab. Endlich ist es vorbei, und wir gehen einer hinter dem anderen zu den Klängen von Mozarts Requiem hinaus. Die Bestattung findet im engsten Familienkreis statt, was den Feigling in mir erleichtert aufatmen lässt – ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte zuzusehen, wie der Boden sie endgültig verschluckt.
    Der Leichenschmaus findet in Sallys stattlichem, aber ein wenig geschmacklos eingerichtetem Elternhaus statt. Ich möchte nicht als Snob erscheinen, ich habe die Eltern immer gemocht, doch der Hang zu Messinghufeisen und Fußabstreifern mit Sprüchen ist unübersehbar. Die Leute drängeln sich, und ich bin ein wenig orientierungslos. William hat seinen Platz neben Sallys Eltern, um dem Ansturm derer gerecht zu werden, die entschlossen sind, ihr Beileid auszusprechen. Ich weiß, dass man das nicht tut, aber irgendwie vermag ich es nicht, meinen Blick von ihm abzuwenden. Was war er für Sally? Hat er ihr letztendlich das geben können, wonach sie gesucht hatte, oder hatte sie sich einfach damit arrangiert, die Frau an seiner Seite zu sein? Ich beobachte sein Gesicht, seine Mimik, die sich der jeweiligen Person anpasst, die unbeholfen das Unaussprechliche auszudrücken versucht. Jede von ihnen glaubt sich für den Moment mit ihm verbunden, doch ich sehe, dass er wie in Trance ist. Er hat sich an einen Ort zurückgezogen, der weit weg ist von hier – vielleicht die einzige Möglichkeit, das alles auszuhalten.
    »Livvy!«, sagt Lola, die plötzlich mit feuchten Augen neben mir steht. »Ich kann es noch immer nicht glauben.«
    »Ich auch nicht«, antworte ich und drücke sie linkisch an mich. Wir haben uns zwar nicht aus den Augen verloren, sind allerdings auch keine Busenfreundinnen. Zum Teil aus Feigheit: Ich habe mir nämlich nie ganz verziehen, wie Sally und ich sie in unserem zweiten Jahr als Mitbewohnerin abserviert haben, aber ich hatte auch nie den Mut, mich mit ihr auszusprechen und die Sache zu klären. Während Sally und sie wieder beste Freundinnen wurden, distanzierten wir uns voneinander. Sie zog von London weg und bekam ein paar Kinder, und unsere jeweiligen Lebensentwürfe unterschieden sich so stark, dass es nicht schwerfiel, den Dingen ihren Lauf zu lassen. Der andere Grund jedoch beschämt mich wirklich: Ich hätte es einfach nicht ertragen, am Ende diejenige zu sein, die außen vor blieb, wenn Sally und sie sich gegen mich verbündeten.
    »Aber es war dennoch schön, nicht wahr?«, sagt Lola. Ich würde ihr gern zustimmen, doch das Wort ist falsch gewählt.
    »War sie katholisch? Ich kann mich nicht erinnern, dass sie jemals …«
    »Nein, William ist …«, entgegnet sie und lässt dabei ihren Blick in seine Richtung wandern. »Ich habe sie erst vor ein paar Monaten gesehen.«

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