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Seit jenem Tag

Seit jenem Tag

Titel: Seit jenem Tag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eleanor Moran
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Sie sieht mich hilflos an, als hoffte sie, mir würde eine geistreiche Bemerkung einfallen, die dem Ganzen einen Sinn zu geben vermochte.
    »Wo?«, hake ich nach. »War sie in London?« Es tut noch immer weh, dass sie womöglich so nah war und nicht anrief.
    »Es war in New York.« Es folgt eine peinliche Pause. »Sie hat mich an meinem Geburtstag eingeladen.«
    »War sie – ging es ihr gut?«
    »Ganz hervorragend. Du weißt doch, wie sie war!«
    Ich frage mich, was sie damit sagen will. Lola gehörte immer zum Fußvolk, das sich anstrengen musste, mit Sally mitzuhalten: Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sally sie jemals als ebenbürtig ansah. Mein Blick fällt auf William, und ich versuche noch immer, mir die beiden als Paar vorzustellen. Er hat jetzt den Raum durchquert, begleitet von einem ernst dreinblickenden Mann mit einer Hakennase, der sein Vater sein muss. Darauf schließe ich weniger aufgrund ihrer Gesichter, sondern ihrer stocksteifen Haltung in ihren Anzügen – jahrelang eingeübte Umgangsformen, die in tausend winzigen Details ihren Ausdruck finden. Ich lächele Lola an, zu stolz, sie nach Details zu fragen und zuzugeben, dass ich nicht weiß, ob ihre Sally – die glatt polierte verheiratete Dame – dieselbe war wie meine.
    »Und man weiß immer noch nicht, wie es passiert ist«, ergänzt Lola mit leiser Stimme.
    »Was soll das heißen?«, frage ich und spüre, wie die Härchen meiner Arme sich alarmiert aufstellen.
    »Sie sollte Madeline von der Schule abholen, aber sie ist dort nie aufgetaucht. Sie befand sich mitten am Tag irgendwo in New Jersey. Keiner weiß warum. Es regnete in Strömen. Sie verlor einfach die Kontrolle über ihr Auto und raste in den Mittelstreifen.«
    Ist das der Grund, weshalb es drei lange Wochen gedauert hat, bis sie beerdigt werden konnte? Ich musste an sie denken, wie sie kalt in irgendeiner Leichenhalle lag und darauf wartete, nach Hause zu kommen. Diesen makabren Gedanken habe ich nie laut werden lassen, weil ich mich dafür schämte, doch so war er gar nicht gemeint – ich machte mir auf ganz kindische Weise Sorgen um sie. Es kam mir so lang vor, aber vielleicht wollte man sie erst ihrer Familie zurückgeben, nachdem man ein paar Antworten hatte.
    »Dann ist es doch sicherlich schnell gegangen, oder?«, frage ich und spüre, dass es mir die Kehle zuschnürt.
    »Ja, dessen bin ich mir sicher«, antwortet Lola und bricht in Tränen aus. »Sie wird nicht gelitten haben.« Sie streckt ihre Hand nach meiner aus, und ihre Finger umschließen meine, um mich mit ihrem Griff in der Gegenwart der Lebendigen zu verankern. Diese lockere, instinktive Warmherzigkeit war ihr schon immer eigen. Aber neurotisch konkurrierend, wie ich mit meinen zweiundzwanzig Jahren war, hatte ich diese nie genug zu schätzen gewusst, denn es war viel einfacher, meine Position bei Sally zu sichern, indem ich auf deren verschlagenen halb liebevoll gemeinten Spott einstieg. Und Lola war dabei ein leichtes Opfer mit ihrer naiven, gutgläubigen Art.
    »Lass uns in Zukunft weniger nachlässig sein und in Kontakt bleiben«, flehe ich sie an, und sie nickt stumm, von ihren Gefühlen überwältigt.
    »Lola?«, mischt sich eine glamourös wirkende Amerikanerin ein, die in etwa unser Alter haben dürfte, aber weitaus gepflegter ist. Sie wirkt gleichzeitig jünger und älter als wir, ihr beiges Schlauchkleid aus Wolle, das ihre Figur betont, stinkt nach Geld, die Goldkreolen in ihren Ohren unterstreichen ihre karamellfarbenen Strähnchen. Sie wirkt auf mich wie die typische Amerikanerin: Nach außen hin scheint sie ein perfektes Leben zu führen, in Wahrheit hingegen brodelt es unter der Oberfläche.
    »Hi, Mara! Das ist Livvy, sie war mit Sally und mir im gleichen Wohnheim an der Uni. Sally und Mara waren … ihr habt doch alles zusammen gemacht, oder?«
    Mara richtet ihre grüngrauen Augen auf mich, ihr Lächeln erreicht ihr Gesicht allerdings erst ein wenig später. Sie fragt sich, warum ich hier bin, da sie mir nie begegnet ist, eine Frage, die ich mir selbst auch noch immer stelle.
    »Unsere Töchter sind sich am ersten Tag im Kindergarten begegnet, und damit war die Sache besiegelt«, sagt sie im Tempo eines Schnellfeuergewehrs, wie New Yorkerinnen oft sprechen. Im Moment überfordert mich das ein wenig. »Man kann von Glück sagen, dass wir genauso füreinander empfanden. Und Richie und William ebenso«, ergänzt sie und deutet auf jemanden, der, wie ich vermute, ihr Ehemann ist, ein grauer Bär von

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